Ahn nach dem Korea-Spiel
Rückkehr in das Heldentum
Verhöhnt, abgestiegen, hin und her geschoben. Kaum ein Spieler mußte durch ein solches Tief wie der Stürmer
Von Jens Hungermann
Jung-Hwan Ahn fliegt Togos Torwart Kosi Agassa entgegen. Die schwachen Südkoreaner siegten dank Ahns Treffer in der 72. Minute mit 2:1
Foto: AP
Manchmal ist es ein kurzer Moment, eine Idee, ein Schuß von Tausenden, der die trüben Erinnerungen an verschenkte Jahre zu löschen vermag. Jung-Hwan Ahn könnte davon erzählen seit Dienstag, kurz vor halb fünf. Er hat sie erlebt, die Genugtuung, die Freude, die Erlösung. Jung-Hwan Ahn schoß an diesem schwülen Nachmittag in Frankfurt das 2:1 für Südkorea gegen Togo, und es war ein entscheidender Treffer, wieder einmal. Doch der "Man of the Match" sagte nur schüchtern lächelnd: "Ich bin natürlich überglücklich, daß ich dieses wichtige Tor erzielt habe."
Dabei hätte Jung-Hwan Ahn seinen Kritikern ebensogut entgegenschleudern können: Seht ihr, ich kann es noch, 2002 war kein Zufall! Damals, bei der Weltmeisterschaft im eigenen Land, begann der Höhenflug des Stürmers. Damals begann auch sein Niedergang.
18. Juni 2002, Daejeon, WM-Achtelfinale gegen Italien. Südkorea liegt schnell 0:1 hinten, erzielt in der 89. Minute den Ausgleich. Verlängerung, 116. Minute, eine Flanke verlängert ausgerechnet Jung-Hwan Ahn vom AC Perugia zum 2:1. Die Sensation ist perfekt und Italien ausgeschieden. Anschließend schlägt dem Gastarbeiter der Haß der Besiegten entgegen.
Perugias Präsident Luciano Gaucci wirft Ahn, "der den italienischen Fußball ruiniert hat", aus dem Verein, Trainer Serse Cosmi lästerte später über den Südkoreaner: "Er war verloren wie ein Schaf, konnte sich nicht einmal allein eine Pizza kaufen. Ohne große Leistung wurde er hier reich und blamierte dann den italienischen Fußball."
Jung-Hwan Ahn, den plötzlich die ganze Fußball-Welt kannte und den seine Landsleute wie einen Popstar feierten, tingelte anschließend durch die Weltgeschichte. Er heuerte bei Shimzu S-Pulse in der japanischen J-League an, wechselte dann zum französischen Abstiegskandidaten FC Metz und kam Anfang 2006 schließlich zum Bundesliga-Verein MSV Duisburg, bei dem er in zwölf Spielen zwei Tore schoß, aber zumeist auf der Bank saß. Dennoch nominierte Advocaat den 30jährigen für die WM, wenngleich er ihn im ersten Vorrundenspiel gegen Togo erst nach 45 Minuten einwechselte. "Eine gute Entscheidung", wie der Trainer nüchtern kommentierte.
Gegen Frankreich am Sonntag (21 Uhr, RTL live) könnte der lange Zeit formschwache Stürmer von Anfang an auflaufen. Advocaat: "Die Aufstellung kann sich durchaus ändern."
Daheim nennen sie Ahn "Beckham Koreas", er ist mit einer ehemaligen Miss Südkorea verheiratet. Mit seinem Treffer in der 72. Minute, einem famosen Distanzschuß, der das schwache Spiel der Asiaten gegen einen schwachen Gegner zumindest ansatzweise kaschierte, stürzte der smarte 30jährige seine fußballverrückten Landsleute in einen Freudentaumel sondergleichen - und verbesserte zugleich seine Aussichten, der Zweiten Liga in der kommenden Saison zu entgehen.
Zwar gilt sein Vertrag beim MSV Duisburg bis 2007, doch der finanziell klamme Klub ist nach dem Abstieg auf Transfererlöse angewiesen. Trifft Ahn in diesem Turnier noch öfter, steigert das natürlich seinen Marktwert. Er selbst drückte sich am Dienstag nach dem ersten Sieg Südkoreas in einem WM-Spiel außerhalb Asiens um eine klare Antwort, zögerte lange und sagte dann: "Ich kann noch nicht sagen, wo ich nächste Saison spiele."
Die Anerkennung seiner Mitspieler war Jung-Hwan Ahn indes gewiß. "Er ist ein guter Spieler. Er war bei der WM 2002 unser Held, und er kann es 2006 wieder werden", lobte Ji-Sung Park, Mittelfeldspieler von Manchester United. Im Viertelfinale könnte Südkoreas Gegner Italien heißen.