Ich sehe ganz eindeutig eine Entwicklung im Angriffsverhalten. Die Dominanz, die Stoppelkamp zum Teil vorher ausgestrahlt hat, empfand ich, bevor Ziegner das abänderte, als genauso alternativlos, wie wohl die allermeisten. Am Anfang der Saison standen er, Bakalorz und Mai total im Fokus, alle anderen waren bessere Wasserträger.
Ziegner hat, vor dem fatalen Hintergrund des rasanten Absturzes seit dem Rauswurf von Lieberknecht, für mich eine ganz ausserordentliche Risikobereitschaft gezeigt. Die, daran glaube ich genauso fest, ohne die enge Zusammenarbeit mit Heskamp schlicht unmöglich gewesen wäre. Daraus folgt: Alle, die fanden, dass Grlic seinen Spirit und sein glückliches Händchen durch den Verschleiß im ewigen Kampf gegen das Nichts eingebüsst hatte, können die Entwicklung, seitdem für ihn Schluss war, eigentlich nur begrüssen.
Hier geht es für mich weniger um Punkte oder Tabellensituation, sondern viel mehr um die Vorbedingung für alles, nämlich die stabilisierte Defensive. Erst darauf aufbauend konnte Ziegner eine andere Wirksamkeit von Mittelfeld und Angriff durchsetzen, die vor allem von viel mehr Überraschungsmomenten, einer ganz anderen Körpersprache und Kreativität, aber auch von viel mehr Achtsamkeit auf die Fehler der anderen, Einstehen dafür, diese gemeinsam auszubügeln, geprägt wurde. Der Mut, aus vielen Positionen einfach mal abzuziehen, die direkte Aktion zu suchen, anstatt es nochmal quer laufen zu lassen (oft rein in den ich von ruppigen Blutgrätschern oder Abwehrtürmen nicht einschüchtern zu lassen, ist jetzt aus viele Schultern verteilt. Das macht unsere Mannschaft natürlich viel unberechenbar, bringt aber auch ersichtlich mehr Spass an der Leistung, eine andere interne Hierarchie, mehr das Gefühl, dazuzugehören, als nur dabei zu sein.
Offen ist für mich, wie es nächste Saison weitergehen wird, was davon bleibt, noch verbessert werden kann, was wieder nachsackt, wen wir uns leisten können, dazuzuholen, welche neuen Ideen Ziegner einfallen könnten und wie die funktionieren. Dafür gibt es null Garantien, aber das war noch zu keinem Saisonabschluss wirklich anders. Sicher ist, dass Ziegner und Heskamp wenig Zeit haben werden, die nächste Saison wie einen großen, offenen Feldversuch anzugehen. Mit dem Aus für Stoppelkamp und andere haben sie bereits ein Statement raus in die Zukunft gesetzt, sich selbst entweder eine gewaltige Hypothek, oder aber einen Kredit zu unsagbar günstigen Konditionen verschafft. Denn wenn das Neue weiter funzt wie bisher, sich alles sogar noch verfestigt, werden wir wieder eine Macht sein, zumindest mal in der dritten Liga. Der Respekt unserer Kontrahenten haben wir in diesem Jahr schon eingeheimst, sogar Waldhof Mannheim war noch ziemlich beschäftigt..
Umgekehrt wird eine Koalition der "Wie konnte man Stoppelkamp nur verkaufen, wie irre war das bloss von diesen Vollpfosten" Ziegner und Heskamp bei einem fetten Fehlstart sofort auf die Hörner nehmen, das wird dann richtig bitter, ein Alptraum. Ich bin wie immer zweckoptimistisch. Wie man es anders beim MSV überhaupt erträgt, hab ich sowieso noch nie verstanden.