Wirklich ein Jahrhundertspiel, da haben Thomas Broich und Sebastian Schweinsteiger nicht übertrieben. Wer meint, die Franzosen hätten zulange zuwenig getan, übersieht für mein Gefühl, wie unglaublich präzise und aufopferungsvoll sie von Argentinien komplett unter Kontrolle gehalten wurden. Die Leistungsexplosion von Mbappe am Ende, der ja schon endlos vergeblich angerannt war, wurde vor allem durch die neuen Impulse ermöglicht, die Thuram und Coman beisteuerten. Da erkannte man, wie Deschamps seine Jungs kennt und auch, welche Risiken er bereit ist, einzugehen. Aber trotzdem war der junge Superstar der Franzosen auf einmal so präsent, beweglich, gierig und genial mit dem Ball, dass der Vergleich mit Pele in dem Alter kein bisschen zu hoch angesetzt ist.
Dagegen Messi: Blieb einfach unerschütterlich, sparsam, genial in der Übersicht, immer sofort gefährlich, wenn er die Angriffe einleitete oder selbst mit abschloss. Kein Funken Eitelkeit, keine Spur von übersättigtem Multimillionär oder der chronischen Kamerageilheit eines Ronaldo. Den wollte er deklassieren, ohne Zweifel. Aber am Ende ging es darum, den Mythos Maradona zu reaktivieren, in dessen Spur die permanente Fussballrevolution für sein gebeuteltes Land fortzuführen. Erst im Elfmeterschiessen sah man die winzige, womöglich entscheidende Prise von grösserer Todesverachtung bei den Argentiniern, die beim amtierenden Weltmeister Frankreich eben doch fehlte.
Die unsäglich dumme und peinliche Siegerehrung, dieses Netz mit Goldrand, das man Messi überstreifte, damit es an den Dress des Emirs, oder welchen Titel dieser Schnauzbärtige trägt, erinnert, die Klebrigkeit der feisten Pfote von Infantino, wie er einfach nicht aus dem Bild verschwinden wollte und die ganze Zeit von unten versuchte, noch die feiernden Spieler auf dem Podest anzufassen, damit er immer wieder mit im Bild ist - all das kann diesem Fussballspiel und diesen Spielern nichts anhaben. Es hat nur nochmal im Kontrast gezeigt, wie dreckig und billig das alles ist, was die FIFA mit dem Austragen einer WM verbindet: Hier die grossen, verdienten, abgekämpften Helden des unverändert klassischen, proletarischen Sports, dort der Schwarm von teuer parfümierten, aber trotzdem vor Gier verfaulenden Schmeissfliegen, den ihr heroischer, ehrlicher Schweiss angelockt hat..
Trotzdem bin ich froh, dass jetzt Schluss damit ist. Und froh, dass ich dieses epochale Spiel, trotz aller Bedenken, angesehen habe. Die FIFA-Exklusivpartner McDonalds und CocaCola werde ich trotzdem langfristig weiter boykottieren, Ende offen. Natürlich mit unvermeidlichen Ausnahmen, wenn ich zum Beispiel mal eine Horde erpresserischer Halbwüchsiger im Auto habe. Aber sogar dann werde ich ihnen in ihre Happy-Meals was reinpredigen, über systemische Korruption, Big Money und gezielt erzeugte Zuckersucht.