Ich akzeptiere jede Form von Boykott oder Ignorieren, aber diese moralische Selbstüberhöhung ist schlicht lächerlich und das haben wir leider in einer Reihe gesellschaftlicher Diskussionen. Wer meine Meinung und meine Konsequenzen für sein Handeln nicht teilt, dem sind Menschenrechte, Klima, Geschlechtergerechtigkeit, der Weltfrieden usw. egal. Kommt mal runter von Eurem Thron des großen gerechten Vordenkers und raus aus der Blase. Könnte es nicht sein, dass Menschen die Rahmenbedingungen der WM nicht egal sind, sie aber bewusst keinen Sinn in einem Boykott sehen und trotzdem keine schlechteren Menschen als Du sind und auch trotzdem noch die gleichen Rechte für sich selbst in Anspruch nehmen können ?
Streng genommen habe ich lediglich die Konsequenzen ausformuliert, die mit dem dem Schauen der WM einhergehen. Und diesbezüglich muss man sich bewusst sein, dass das eigene Handeln eben auch im Kontext der Moral zu verorten ist. Wenn du dich damit abfinden kannst, dass für dein Vergnügen tausende Menschen gestorben sind, dann kann ich mit Fug und Recht sagen, dass ich das für moralisch bedenklich halte. Wenn du nun deine ganz persönliche Werteabwägung vornimmst und zu der Entscheidung kommst, dass dein Vergnügen höher zu bewerten ist als z.B. das Leid der Gestorbenen und derer Angehöriger und modernes Sklavenhaltertum (um nur mal zwei Aspekte zu benennen), dann hast du selbstverständlich die Freiheit, aufgrund deine Wertehaltung zu handeln und die WM zu schauen.
Ich schließe das übrigens daraus, dass du ja selber schreibst, dass dir die Rahmenbedingungen der WM nicht egal sind, aber dass du
bewusst keinen Sinn in einem Boykott siehst.
Und in welcher Blase lebe ich denn? In der Blase, in der Gerechtigkeit für mich ein wichtiger Wert ist? Dann bleibe ich gerne drin, bin persönlich enttäuscht über jeden, der aus dieser "Blase" heraustritt und kann das auch genau so öffentlich kundtun. Oder in der Blase, in der ich allen Menschen dieser Welt universelle Rechte gewähre (Menschenrechte), die das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit beinhalten? Die gleichen Rechte, die ich selber beanspruche, sollen auch anderen zugute kommen. Und daraus ziehe ich eben den Schluss, dass ein Boykott sinnvoll ist, weil ich kein Land, das Menschenrechte systematisch verletzt, unterstützen möchte.
Und noch ein kleiner Denkanstoß zum Abschluss: Jau, wir haben die Freiheit denken und tun zu können, was wir wollen. Aber meinst du nicht, dass daraus auch eine gewisse Verantwortung für uns erwächst? Beispielsweise, dass wir diese Rechte bewahren und dafür einstehen. Und möglicherweise auch, dass wir für dieses Einstehen mehr oder weniger große Opfer bringen können. Zum Beispiel indem wir auf unser eigenes Vergnügen verzichten und die WM-Spiele nicht schauen.
Letztlich muss das jeder für sich entscheiden, aber ich möchte mit Nachdruck darauf hinweisen, dass sich unser Handeln auf Wertehaltungen zurückführen lässt. Und es schadet nicht, sich diese Werte einmal ins Bewusstsein zu rufen und zu überlegen, ob man seine Entscheidungen wirklich vertreten kann.