K
Kees Jaratz
So ein Mensch, der ein Partykiller sein will, braucht schon ein dickes Fell. Diese Freiburger wollten tatsächlich noch in der letzten Spielminute ein Tor machen. Ich konnte das nicht fassen. Hörten die nicht, was auf den Rängen gesungen wurde? Das war hymnisch, was wir unfassbar laut sangen – die getragene Melodie….das lang gezogene oooo als tiefes Raunen, als eine Art „roar“; das MSV, kürzer, manchmal sogar wie knallend, das weiß und blau wieder getragener, feierlicher.
Diese Freiburger wagten es noch einmal in diese Stimmung hinein, unsere Erleichterung zu bedrohen. Das war irritierend. Anscheinend konnten wir es auf den Rängen nicht mehr erwarten, dass endlich diese Zitterei vorbei war. Wir begannen den Klassenerhalt emotional schon vorwegzunehmen. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass dieser Support so anhaltend vernehmbar war. Den Support, den ich bislang nur in Spielsituationen gehört habe, in denen der MSV für den Tag sein Ziel erreicht. Vielleicht noch mal in ruhigen Spielphasen bei entspannten Spielen.
Wir schienen die Schnauze voll zu haben von diesem wirklichen Fußball. Wir wollten den ideellen Verein MSV Duisburg feiern, für den wir gekommen waren. Wir waren da. Wir waren präsent. Von so vielen Seiten hatte ich im Laufe der Woche genau diesen Appell gehört. Kommt! Schert euch nicht um die letzten Wochen. Spart euch die Kritik. Es geht um den Verein. Es geht um etwas Größeres als die schnöde eigene Enttäuschung.
Knapp 11.700 Zuschauer waren da und waren laut. Diese Zuschauer, wir alle wussten, worum es ging. Wir wollten so laut sein, als sei das Stadion ausverkauft. Der Zebratwist war die erste Ansage. Das MSV des Refrains knallte auf den Rasen wie schon Jahre nicht mehr. Das machte deutlich, wir werden unseren Part erledigen. Nun war es an den Spielern, sich auf diese Woge aufzuschwingen.
In den ersten zehn Minuten entschieden die Spieler des MSV und wir auf den Rängen gemeinsam dieses Spiel. Den Schalldruck verwandelten die Zebras in einen Pressingdruck, der die Freiburger in diesen wenigen Minuten überforderte. Deshalb geschah der Fehler. Zusammen haben wir diesen Abspielfehler beim Rückpass zum Torwart wahrscheinlicher gemacht. Ein Stoppelkamp-Tor, wie es typischer für ihn beim MSV nicht sein kann – diese Mischung aus Spekulation im freien Raum, instikthaftem Zug zum Tor und Coolness im Abschluss.
Ab der 30. Minute ungefähr hatten die Freiburger das Mittelfeld unter Kontrolle. Was natürlich nicht reicht, um ein Tor zu erzielen. Dazu fehlte in Strafraumnähe jene spielerische Überlegenheit, die die Kurzpass-Sicherheit im Mittelfeld andeutete. Mir reichte diese technische Überlegenheit, um für den Rest des Spiels zu zittern. Ich vertraute unserer Defensive keinen Augenblick. Ich war das gebrannte Kind, das bei einem Freiburger Ball etwa 20 Meter vor dem Tor den entscheindenden Stellungsfehler in unserer Defensive schon als geschehen sah. Ich schrie vor Entsetzten bei drei, vier Flanken auf, die fürs erste geklärt sofort wieder bei den Freiburgern landeten. Solche Bälle waren in früheren Spielen irgendwann auch ins Tor gegangen. Doch der Ausgleich fiel nicht. Meine Nervosität hielt an.
Die Zebras kämpften im gesamten Spiel um jeden Ball. Es wurde gegrätscht und nachgegangen. Eine kleine Schwächeperiode gab es zwischen 50. und 60. Minute in meiner Erinnerung. Von da an feierten wir jedes kurze Aufhalten eines Freiburger Angriffs bei uns. Jeder weggeschlagene Ball war uns einen Jubel wert. Die langen Bälle der Zebras ergaben dennoch ein paar winzige Chancen. Die Abschlüsse waren eher mäßig. Am meisten sorgte mich, diese Ruhe der Freiburger. Die spielten ihre Kombinationen herunter, als ob sie sicher wären, irgendwann seien die Zebras zermürbt und der Ausgleich werde noch fallen.
Deshalb beruhigte mich das hymnische Singen in den letzten Minuten. Es lenkte ab und nahm die Erleichterung ein wenig vorweg. Deshalb verwandelte sich meine Unruhe auch in empörende Ungläubigkeit. Ich fasste es nicht, dass diese Freiburger tatsächlich noch einmal den Ball in den Strafraum schlugen und dort eine zunächst unübersehbare Situation schufen. Den Freiburgern machte es tatsächlich nichts aus, Partykiller zu sein. Die hatten nicht den Anstand, sich an deren Klassenerhalt bei uns in den 90ern zu erinnern. Damals hatten sie einen Sieg nötig. Den haben sie geschafft, und der MSV hat sich in in meiner Erinnerung nicht sehr dagegen gewehrt. Nichts davon gestern. Das hymnische Singen nur senkte meinen Blutdruck etwas. Bis der Schlusspfiff uns erlöste.
Was für eine Erleichterung. Was für ein Zittern und Bangen. Noch einmal in diesem Spiel. Mit einer ersten Halbzeit, die mir lang wie ein ganzes Spiel vorkam. Mit einem Stadion, in dem mit uns auf den Rängen auch der Geist von sämtlichen MSV-Fans aller Zeiten anwesend war. Das war der MSV an diesem Tag. Die Spieler auf dem Rasen, wir auf den Rängen lebten an diesem Tag etwas, was sich nicht durch einen 1:0-Sieg und drei Punkten ausdrückt. Wir lebten eine Idee, ein Ideal unseres Fußballs, das über den Tag hinaus weist. Du bist es schon immer gewesen. Nur der MSV.
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Diese Freiburger wagten es noch einmal in diese Stimmung hinein, unsere Erleichterung zu bedrohen. Das war irritierend. Anscheinend konnten wir es auf den Rängen nicht mehr erwarten, dass endlich diese Zitterei vorbei war. Wir begannen den Klassenerhalt emotional schon vorwegzunehmen. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass dieser Support so anhaltend vernehmbar war. Den Support, den ich bislang nur in Spielsituationen gehört habe, in denen der MSV für den Tag sein Ziel erreicht. Vielleicht noch mal in ruhigen Spielphasen bei entspannten Spielen.
Wir schienen die Schnauze voll zu haben von diesem wirklichen Fußball. Wir wollten den ideellen Verein MSV Duisburg feiern, für den wir gekommen waren. Wir waren da. Wir waren präsent. Von so vielen Seiten hatte ich im Laufe der Woche genau diesen Appell gehört. Kommt! Schert euch nicht um die letzten Wochen. Spart euch die Kritik. Es geht um den Verein. Es geht um etwas Größeres als die schnöde eigene Enttäuschung.
Knapp 11.700 Zuschauer waren da und waren laut. Diese Zuschauer, wir alle wussten, worum es ging. Wir wollten so laut sein, als sei das Stadion ausverkauft. Der Zebratwist war die erste Ansage. Das MSV des Refrains knallte auf den Rasen wie schon Jahre nicht mehr. Das machte deutlich, wir werden unseren Part erledigen. Nun war es an den Spielern, sich auf diese Woge aufzuschwingen.
In den ersten zehn Minuten entschieden die Spieler des MSV und wir auf den Rängen gemeinsam dieses Spiel. Den Schalldruck verwandelten die Zebras in einen Pressingdruck, der die Freiburger in diesen wenigen Minuten überforderte. Deshalb geschah der Fehler. Zusammen haben wir diesen Abspielfehler beim Rückpass zum Torwart wahrscheinlicher gemacht. Ein Stoppelkamp-Tor, wie es typischer für ihn beim MSV nicht sein kann – diese Mischung aus Spekulation im freien Raum, instikthaftem Zug zum Tor und Coolness im Abschluss.
Ab der 30. Minute ungefähr hatten die Freiburger das Mittelfeld unter Kontrolle. Was natürlich nicht reicht, um ein Tor zu erzielen. Dazu fehlte in Strafraumnähe jene spielerische Überlegenheit, die die Kurzpass-Sicherheit im Mittelfeld andeutete. Mir reichte diese technische Überlegenheit, um für den Rest des Spiels zu zittern. Ich vertraute unserer Defensive keinen Augenblick. Ich war das gebrannte Kind, das bei einem Freiburger Ball etwa 20 Meter vor dem Tor den entscheindenden Stellungsfehler in unserer Defensive schon als geschehen sah. Ich schrie vor Entsetzten bei drei, vier Flanken auf, die fürs erste geklärt sofort wieder bei den Freiburgern landeten. Solche Bälle waren in früheren Spielen irgendwann auch ins Tor gegangen. Doch der Ausgleich fiel nicht. Meine Nervosität hielt an.
Die Zebras kämpften im gesamten Spiel um jeden Ball. Es wurde gegrätscht und nachgegangen. Eine kleine Schwächeperiode gab es zwischen 50. und 60. Minute in meiner Erinnerung. Von da an feierten wir jedes kurze Aufhalten eines Freiburger Angriffs bei uns. Jeder weggeschlagene Ball war uns einen Jubel wert. Die langen Bälle der Zebras ergaben dennoch ein paar winzige Chancen. Die Abschlüsse waren eher mäßig. Am meisten sorgte mich, diese Ruhe der Freiburger. Die spielten ihre Kombinationen herunter, als ob sie sicher wären, irgendwann seien die Zebras zermürbt und der Ausgleich werde noch fallen.
Deshalb beruhigte mich das hymnische Singen in den letzten Minuten. Es lenkte ab und nahm die Erleichterung ein wenig vorweg. Deshalb verwandelte sich meine Unruhe auch in empörende Ungläubigkeit. Ich fasste es nicht, dass diese Freiburger tatsächlich noch einmal den Ball in den Strafraum schlugen und dort eine zunächst unübersehbare Situation schufen. Den Freiburgern machte es tatsächlich nichts aus, Partykiller zu sein. Die hatten nicht den Anstand, sich an deren Klassenerhalt bei uns in den 90ern zu erinnern. Damals hatten sie einen Sieg nötig. Den haben sie geschafft, und der MSV hat sich in in meiner Erinnerung nicht sehr dagegen gewehrt. Nichts davon gestern. Das hymnische Singen nur senkte meinen Blutdruck etwas. Bis der Schlusspfiff uns erlöste.
Was für eine Erleichterung. Was für ein Zittern und Bangen. Noch einmal in diesem Spiel. Mit einer ersten Halbzeit, die mir lang wie ein ganzes Spiel vorkam. Mit einem Stadion, in dem mit uns auf den Rängen auch der Geist von sämtlichen MSV-Fans aller Zeiten anwesend war. Das war der MSV an diesem Tag. Die Spieler auf dem Rasen, wir auf den Rängen lebten an diesem Tag etwas, was sich nicht durch einen 1:0-Sieg und drei Punkten ausdrückt. Wir lebten eine Idee, ein Ideal unseres Fußballs, das über den Tag hinaus weist. Du bist es schon immer gewesen. Nur der MSV.
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