Ich finde, jeder kann soviel Sky gucken, wie er will, ohne sich im geringsten dafür rechtfertigen zu müssen. Aber dass der Spiess hier quasi umgedreht, und Sky sogar unterstellt wird, die hätten eine Art von Schutzfunktion gerade für kleine Vereine, stellt die Dinge schlicht auf den Kopf. Objektiv gesehen, das kann jeder mit genügend Geduld auch im Netz oder anders wo recherchieren, sind die Preise für Übertragungsrechte im Fussball genau parallel zur Einführung des Privatfernsehens (Stichwort Leo Kirch) durch die Decke gegangen, und die logische Folge dieser von der Politik so gewollten Deregulierung, respektive der derzeitige Endpunkt davon, ist unter anderem Sky. Dass Sponsoren soviel im Fussball investieren wollen, ist eine direkte Folge der massiv verbesserten Einnahmesituation auf seiten der Vereine, ferner der stark verbesserten Reichweiten bezüglich Produktplatzierungen. Hatte Bayern etwa früher einmal vorwiegend den Vorteil des Olympiastadions bei den direkten Einnahmen beim Ticketverkauf, ist dieser Ticketverkauf heute längst nicht mehr der Faktor, der den Kohl wirklich fett macht.
In England ist es so, dass nur die Hälfte der Millionen, mit denen sich mittlerweile dort auch die Mannschaften am Ende der ersten Liga ziemlich sinnbefreit mit irgendwelchen Stars eindecken können, überhaupt in England selbst generiert werden. Die andere Hälfte wird, Tendenz ansteigend, längst mit der weltweiten Vermarktung dieser Liga in Indien, Asien, Amerika und Australien verdient. Sprich, was der Liverpool-Fan am Wochenende oder mitten in der Woche vom Verein seines Herzens wahrnehmen kann, muss immer mehr auch den Sehgewohnheiten wettfreudiger Japaner, Chinesen, Thais oder Aussies angepasst werden, damit das Maximum an Kohle dabei fliesst. Die Honigpumpe, mit dem der fette Saft ins System gepumpt, und dort der Kreislauf am Leben erhalten wird, steht bei den Fernsehschaffenden, und Sky ist nunmal unter Lenkung des radikal rechtskonservativen Imperators Murdoch weltweit sehr stark massgeblich, Tendenz aufsteigend. Das ist kein elegantes Start-Up von Spinnern, die in der Garage ihres Vaters einer endgenialen Gedankeneingebung folgten, was da mit den Hufe scharrt und im Geschirr zerrt. Sondern ein gesinnungstechnisch gleichgeschalteter weltumspannender Global Player, in jeder Beziehung das Gegenteil von Offenheit, Durchlässigkeit und Modernität.
Was die sozusagen freiwillige Selbstkontrolle bezüglich der Verteilung der Fernsehgelder über die DFL angeht, finde ich das unter #196 verlinkte Interview mit dem Vertreter von Pauli sehr geeignet, um sowohl einen Überlick über die Problemlage insgesamt, als auch die besondere Problemstellung Werksvereine vs Traditionsclubs zu bekommen. Hier kommen die Bayern und Rummenigge im übrigen noch nicht mal so schlecht weg, die Solidarität mit der Liga von denen wird von Präsi Göttlich ausdrücklich hervorgehoben. Allerdings dürfte dem kein reiner Eigennutz zugrundeliegen. Wenn ein Hoeness früher irgendetwas instinktsicher nachvollzogen hat, dann das Prinzip "Teile und Herrsche", was ja schon auf die alten Römer zurück geht. Die spannende Frage ist, ob die Bayern sich auch nach der erzwungenen Abdankung des wichtigsten Strippenziehers der Liga als in einer Kontinuität zu dessen Firmenphilosophie handelnd verstehen, oder aber nicht.
Bei Rummenigge insbesondere wäre ich mir da nicht ganz so sicher. Die Art, wie der explizit immer nach China schielt, macht ihn jedenfalls schon mal nicht unverdächtiger. Ich kann mir vorstellen, dass der eine Expansion in Richtung weltweite Vermarktung und mittelfristiger Abkoppelung schon mal durchdacht hat, und man sich gerade ausrechnet, ab wann so etwas so spruchreif sein könnte, dass man damit in die Offensive geht. Was davon zu halten ist, darüber sollte man diskutieren können, ich persönlich bin nicht der Ansicht, dass die Tendenz sehr gesund ist, immer mehr Geld ins System hineinzupumpen, indem neue Märkte erschlossen werden, wo die Konsumenten ausser dem, dass sie mal Online-Tipps absetzen und vielleicht ein Maskottchen oder ein Kahn-Trikot, geschweige denn ein Videospiel, käuflich erwerben, kaum bis gar keine Bindungen an den Fussball an sich haben. Dies wird vielleicht eine Weile was bringen, ist aber womöglich ebenso vergänglich wie die Bubble-Tea-Welle, und wenn es vorüber ist, sind über Jahrzehnte gewachsene Strukturen eventuell auf immerdar vernichtet. Auch hierzu sagt Herr Göttlich vom Kiez-Club eine Menge nachvollziehbares, und zwar unter dem Label Kaufmännische Interessenlage, und unter gänzlichem Verzicht darauf, gängige Vorurteilslagen zu perpetuieren (was man ja etwa Sky-Kritikern als automatischen Reflex sofort unterstellt, nämlich dass sie weltvergessene Ökosandalen sind, die den Takt der Jetztzeit schlicht nicht verstehen).
Was früher Hoeness noch sicher verstanden hat: Fussball lebt von der Spannung, wie es ausgeht. Ich selbst guck mir längst nicht mehr jede Sportschau bis zum Ende an, spätestens wenn die Bayern mit drei Toren Unterschied führen, wird mir die Zeit dafür zu schade, und so geht es einer Menge meiner Bekannten auch schon. Sicher gibt es viele, vor allem bei den Kids (wo es vermehrt drum geht, die "richtige" Marke als Ausweis der Dazugehörigkeit vorweisen zu können) die sich einfach freuen, wenn sie scheinbar denen angehören, die immer gewinnen, aber das ist auch eher eine oberflächliche Liebe. Werden dann noch Identifikationsfiguren (Kroos, Schweini) weggelassen, ist der Trainer auch schon ein Spanier, etc., kann man sich auch gleich schon wieder das Barca-Messi-Trikot kaufen, statt Vidal, Lewandowski oder Costa.
Ob Bayern in der weltweiten Kategorie tatsächlich mit dem Kultstatus mithalten kann, den dort Barca oder Real aufweisen, ist noch mal eine ganz andere Frage. Hierbei geht es ja dann auch nicht mehr nur um den unmittelbaren Erfolg: Liverpool etwa ist heutzutage immer noch Kult, Juve ist Kult, obwohl deren ruhmreiche Jahre lange zurückliegen. Ich glaube, in der Post-Post-Post-Moderne kehren viele, gerade vom Nachwuchs her gesehen, wieder zurück zu einer Philosophie des "weniger ist mehr", und dies sollte sowieso die Richtlinen der DFL in der Zukunft wieder eher bestimmen. Dass unser System nicht das Schlechteste ist, beweisen unsere Erfolge im Fussball dort, wo es jenseits der ganzen gigantomanischen Zahlen immer noch drauf ankommt, und zum Schluss immer drauf ankommen wird: nämlich auf dem Platz.