Ich habe heute - vor allem in Halbzeit 1 - viele interessante Dinge gesehen:
- Spielaufbau wurde möglichst flach probiert
- wenn der Gegner hoch stand bzw. nach dem ersten Anspiel anzulaufen versuchte, wurde mit tiefen AV und IV im Strafraum aufgebaut, also fast mit vier Spielern auf einer Linie (das hätte es mit der alten Abstoßregel nicht gegeben, da IV und AV fast im gleichen Raum gestanden hätten)
- wenn die vier zugestellt wurden, wurde das genutzt, um mit einem halbhohen Flugball von Weinkauf die erste Linie des Gegners zu überspielen
- ein Sechser (meist Albutat) ist dafür auf den Flügel ausgewichen und hat sich in den Raum zwischen defensiven und offensiven Außen (der den AV des Gegner hinten gebunden hat) gestellt
- Sechserraum wurde im Spielaufbau fast durchgehend gemieden (ich nenne es mal Schnellhardt-Loch

, unter so viel Gegnerdruck hat keiner im aktuellen Kader die nötige Qualität, um dort Lösungen ohne Ballverlust zu finden)
- die Angriffsroutinen aus dem flachen Aufbauspiel sahen immer sehr ähnlich aus: vom ersten ins zweite Spielfelddrittel suchte man auch per Überladungen aus dem Sechserraum die maximale Breite (und umspielte so den Sechserraum und den Ingolstadt-Block), um dann diagonal in die Halbräume ins letzte Drittel zu zu kommen
- dort spielte man wie schon gegen Großaspach fast schon mit drei Zehnern (und keinem richtigen Außen), die ihre Positionen ständig tauschten und viele Freiheiten zu haben schienen -> Ziel waren wohl Halbraumüberladungen, aus denen man Gefahr erzeugen wollte und - bei Ballverlusten auch eine gute Staffelung fürs Gegenpressing hatte - ein Ansatz, den ich sehr geil finde
- interessant auch: wenn die offensiven Außen sich situativ mal breit anboten, kippte der AV in den Sechserraum -> Positionsrochaden, um Gegner zu binden und Räume freizuziehen, zudem wurde eine doppelte Flügelbesetzung dadurch vermieden (Dreiecke, Diagonalität)
- immer wieder Tiefenläufe der AV, Bitter meist an der Linie, Sicker attackierte auch mal die Halbräume (was ich durchaus interessant fand, aber gruppentaktisch noch nicht optimal genutzt wurde)
- der Respekt von Ingolstadt war anscheinend groß, da sie fast wie ein Underdog mit eine Art 4-2-4-0-Mittelfeldpressing das Mittelfeldzentrum schlossen (womöglich wollten sie dort pressen und Ballverluste erzwingen) - auch deswegen wurde der Sechserraum gemieden und Ben Balla war kaum im Spiel (Albutat wich etwas häufiger aus oder stieß auch nach vorne nach (z.B. band er durch einen Tiefensprint einen Verteidiger und ermöglichte Daschner den Raum, um den Ball vor dem 1:2 anzunehmen)
Gegen den Ball versuchte man fast stetig hoch anzulaufen. Hier darf die Frage erlaubt sein, was man damit erreichen wollte. In Frage kommt wohl:
1. Ingolstadt stressen und den Ballbesitz streitig machen -> hat meist geklappt
2. Ballgewinne erzeugen und dadurch Torgefahr erzielen -> hat nicht geklappt
3. Die Zuschauer begeistern, weil solche Spielweisen dynamisch, kämpferisch und leidenschaftlich wirken -> scheint auch zu klappen
4. Ingolstadt zu langen Bällen "zwingen"(?) -> hat meist auch geklappt
Was man aber kritisch sehen muss: Man hat schon vor dem Anpfiff Saibenes Spielanlage mit langen Bällen auf den Wuchtstürmer Kutschke entschlüsselt und schiebt trotzdem auch aus dem Sechserraum hoch drauf. Hinten hat man oft in Gleichzahl verteidigt und Kutschke konnte fast schalten und walten wie er wollte (gerade wenn die Sechser nachschieben mussten). Zudem haben wir halt keinen Sukalo oder Fröde auf der Sechs. Natürlich sind alle Tore in letzter Linie auch individuell schwach verteidigt, aber sie sind auch gefallen weil sie Teil unserer "neuen" Spielanlage sind - mutig anlaufen -> dadurch vertikal gestreckt und mit Räumen im Mittelfeld, tendenziell unkompakt -> relativ große Räume müssen selbst in letzter Linie im 1:1 verteidigt werden.
In Summe erinnert mich das im Positiven fast ein wenig an Paderborn und im Negativen leider auch an einige Spiele in der letzten Saison. Vorne viel Spektakel, gute Ideen und hinten luftig und individuell zu schwach, um die Qualität des Gegners zu verteidigen. Natürlich wird nicht jeder Gegner einen Beister in seinen Reihen haben. Trotzdem war man heute fussballerisch eigentlich die bessere Mannschaft und muss sich "nur" der passenderen (und primitiveren) Spielanlage des Gegner beugen. Wenn man ganz böse sein will, kann man sogar sagen, dass sich Ingolstadt über unsere Spielweise gegen den Ball gefreut haben dürfte. Sie spielten hinten flach an, lockten uns raus und brachten dann relativ problemlos Kutschke mit ihren Flugbällen ins Spiel.
Ich bin mir aber sicher, dass Lieberknecht das Ding so durchziehen wird. Das hat er ja selbst getan als es um den Ligaverbleib ging. Grundsätzlich gefällt mir das alles sehr gut und man sieht, dass er viele Ideen hat und einen spielstarken und begeisternden Fussball spielen lassen möchte. Trotzdem nützt die attraktivste Taktik wenig, wenn die Punkte ausbleiben und Unruhe aufkommt. Nicht nur von außerhalb (Grüße an alle Portalnörgler

), sondern auch innerhalb der Mannschaft. Die werden auf Dauer auch ihre Probleme damit haben, viel zu investieren und dann ohne Punkte dazustehen. Aber das gehört dann wohl nicht in den Taktikthread...