Wenn man denkt, als MSV Fan hätte man in seinem gut 30 jährigem Fan Dasein alles erlebt, wird man Knall auf Fall eines Besseren belehrt.
Wir schreiben Geschichte, leider keine positive.
Schock, Unverständnis, Ärger, Verwirrung, Erleichterung – rein emotional war vieles dabei in den letzten 24 Stunden.
Was ich aber zuerst einmal los werden möchte:
Trotz dieser hoch emotionalen und teils verwirrenden Thematik mit brisantem Hintergrund empfinde ich die Diskussion dazu hier im MSV Forum als absolut fair, sachlich und respektvoll.
Klar gibt es hier unterschiedliche Meinungen, aber die Art der Diskussion ist wirklich absolut vorbildlich.
An der Anzahl der Beiträge sieht man deutlich, wie wichtig es für viele Fans ist, über dieses Thema offen und ehrlich zu sprechen.
Zudem helfen einige der Beiträge, etwas Licht ins Dunkel zu bringen.
Sehr schön, dass es hierfür im Portal eine Plattform gibt!
Mittlerweile können wir uns ein sehr konkretes Bild der gestrigen Ereignisse machen, wobei es momentan eigentlich zwei Bilder sind.
Bild 1 zeigt den Spielabbruch nach einer rassistischen Entgleisung eines MSV Fan.
Dieser hat, mittlerweile im Wortlaut selber bestätigt, den Satz "Du Affe kannst eh keine Ecken schießen!" in Richtung Osnabrücker Spieler geschrien.
Laut diesem Bild galt der Ausspruch nicht dem Eckenschützen, sondern dem sich in der Nähe befindlichen schwarzen Mitspieler.
Zudem soll es (laut Schiri-Assi, nicht laut Polizeibericht) von den Rängen Affenlaute gegeben haben.
Bild 2 sieht zwar in vielen Teilen ähnlich aus, ist aber doch ganz anders.
Hier geht es dann nicht mehr um eine rassistische Entgleisung, sondern um eine in Fußballstadien recht ‚normale‘ Beleidigung eines gegnerischen Spielers.
Laut diesem Bild wurde der Satz "Du Affe kannst eh keine Ecken schießen!" in Richtung des Eckenschützen (Nummer drei, weiße Hautfarbe) gerufen.
Affenlaute werden in dieser Version von keinem Augen- bzw. Ohrenzeugen bestätigt.
Welches Bild auch immer stimmt, das Ergebnis war der Spielabbruch.
Aber nicht, wie teilweise fälschlich behauptet, auf Drängen des Schiedsrichters, sondern aufgrund der Ansage des VfL Osnabrück.
Die haben beschlossen, dass sie nicht mehr weiter spielen können. Der MSV hat sich dann mit dem Spielabbruch einverstanden erklärt, so dass der Schiri der Bitte der beiden Teams nachgekommen ist.
Der 3-Stufen-Plan des DFB fand also keine Anwendung.
Ich persönlich finde es schade und unverhältnismäßig, dass das Spiel abgebrochen wurde.
Eine Anwendung des 3-Stufen-Plan wäre in meinen Augen die richtige Lösung gewesen.
Zu diesem Zeitpunkt musste man natürlich davon ausgehen, dass es sich tatsächlich um eine rassistische Beschimpfung gehandelt hat.
Wäre es so gewesen bzw. sollte es letztendlich so gewesen sein, hielte ich es trotzdem für falsch.
Damit gibt man diesen Rassisten viel zu viel Macht und Aufmerksamkeit.
Wäre es lediglich zu einer Unterbrechung gekommen, hätten wir das bestmögliche Szenario im Falle rassistischer Entgleisungen erlebt:
Der Täter wurde identifiziert, die Fans beider Lager positionieren sich gemeinsam lautstark gegen Rassismus, ebenso die Verantwortlichen beider Vereine.
So geht man vorbildlich mit solchen Situationen um.
Für alle nicht-Rassisten geht das Spiel dann weiter, der Übeltäter ist raus.
Die angemessene Strafverfolgung sowie Stadionverbot folgen.
Das alles natürlich unter der Prämisse von Bild 1.
Nachdem nun jedoch erhebliche Zweifel an Bild 1 bestehen, erscheint einiges in einem anderen, dunkleren Licht.
Zunächst die viel zu schnelle und in dieser Form absolut unverständliche Aussage von Herrn Wald, es handele sich um die schwärzeste Stunde unserer Vereinsgeschichte.
So etwas sollte man wirklich erst raus hauen, wenn alle Fakten zweifelsfrei auf dem Tisch liegen.
Wenn ich mich an Spiele (und damit an das Fanverhalten) Anfang der 90er erinnere und das Zuschauerverhalten mit der gestrigen Situation vergleiche, ist es lächerlich, hier von der schwärzesten Stunde des Vereins zu reden.
Gerade wenn es um ein gesellschaftlich so brisantes Thema wie Rassismus geht, sollte man jedes Wort klar durchdenken und rein Faktenbasiert kommunizieren.
Aber leider führt der verkrampfte Umgang mit diesem Thema bei vielen Menschen zu einer Art Hysterie, die dann natürlich mehr auf Emotionen als auf Fakten aufbaut.
Möglichst schnell muss alles, was nach Rassismus aussieht, verteufelt werden.
Erst mal raus damit, die Fakten bzw. eine gewisse Sorgfaltspflicht dieser sensiblen Situation gegenüber, das kann warten.
Das allgemein klare Zeichen bzw. die klare Kante gegen Rassismus sowohl der Fans, des Stadionsprechers und der Verantwortlichen war jedoch klasse und vorbildlich!
Was jedoch noch wesentlich schlimmer und einfach widerlich ist, sind einige Presseberichte.
Hier ist das Wort Hexenjagd leider teilweise angemessen.
Die BILD, immerhin auflagenstärkstes Käseblatt in unserem Land, titelt:
Die Schande von Duisburg!
Darunter dann das (im Gesicht verpixelte) Foto des Verdächtigen.
Geht es noch schäbiger?
Alle waren sie gestern ganz schnell dabei, von Skandal und Schande zu schreiben.
Heute, nachdem sich zumindest die Möglichkeit abzeichnet, dass der Sachverhalt evtl. ein anderer war, findet man darüber jedoch kein einziges Wort.
Sorry, doch - in einem Onlinebericht von t-online wurde dies berichtet.
Aber schon schäbig, wie hier eine Berichterstattung nicht aktualisiert wird, sondern weiter nur eine Seite der Geschichte im Raum steht.
Und die Politik haut auch fleissig irgendwelche empörten Floskeln raus, die letztendlich der Situation absolut unangemessen sind.
Teilweise hörtes sich von der Spreche her an, als hätte es einen rechtsextremen Terroranschlag gegeben.
Aber ist natürlich einfach, jetzt öffentlichkeitswirksam das Maul aufzureissen und sich nicht die Mühe zu machen, den Alltagsrassismus konsequent zu bekämpfen, inklusive Ursachen.
Das daraufhin schon Fans, die MSV Utensilien tragen, in der Öffentlichkeit beleidigt werden, ist leider das Ergebnis von fehlender Bildung und aufhetzerischem Journalismus.
Ich hoffe sehr, dass sich am Ende Bild 2 als tatsächlicher Hergang herauskristallisieren wird.
Das wäre für alle Beteiligten bzw. Betroffenen der beste Ausgang.
Nur sollte man dann die Lehren daraus ziehen, wie man zukünftig mit solchen Situationen umgehen sollte.