Ist‘s nicht genug, dass mein gesprochen Wort
Auf ewig soll mit meinen Tagen schalten?
Rast nicht die Welt in allen Strömen fort,
Und mich soll ein Versprechen halten?
(Faust)
Ich möchte zu den in Rede stehenden Marketingverträgen und die damit verbundene Diskussion über ein mögliches Vorgehen gegen diese Verträge einige Anmerkungen machen.
Zu den entsprechenden Ausführungen des Herrn Wittsiepes ist zunächst anzumerken, dass diese leider nur teilweise zutreffend sind.
Zu der von Herrn Wittsiepe auch geltend gemachten Unwirksamkeit des „ersten Vertrages“ und dem Argument, schon aus diesem Grunde seien die geleisteten Zahlungen zurück zu gewähren, möchte ich keine langen Ausführungen machen. Wie die meisten Laien hier im Forum lehnt auch die ständige Rechtsprechung grundsätzlich die Rückabwicklung von sog. „fehlerhaften“ und in Vollzug gesetzten Dauerschuldverhältnissen über das Bereicherungsrecht ab.
Richtigerweise weist Herr Wittsiepe allerdings darauf hin, dass für einen Kommanditaktionär der mit „seiner“ KGaA Rechtsgeschäfte abschließt, besondere Regeln gelten. Die Kapitalerhaltungsvorschrift des § 57 AktG (der auch über § 278 III AktG für die KGaA Anwendung findet) verbietet, auch im Interesse der Gläubiger der Gesellschaft, die Rückgewähr der vom Aktionär geleisteten Einlage. Auch eine verdeckte Einlagenrückgewähr, welche nur unter dem „Deckmantel“ eines gegenseitigen Rechtsgeschäfts des Aktionärs mit „seiner“ Gesellschaft erfolgt (Bsp.: Beraterverträge mit unangemessen hohem Honorar), wird durch diese Vorschrift verboten. Nach § 62 AktG hat die Gesellschaft im Falle der verbotenen Einlagerückgewähr einen Erstattungsanspruch gegen den Aktionär.
Damit soll eine „Ausplünderung“ der Gesellschaft verhindert werden. Schon vor der Novellierung des § 57 AktG war es jedoch allgemeine Meinung, dass die Norm nicht jedes Rechtsgeschäft des Aktionärs verbieten soll. § 57 S. 3 AktG lautet nun in seiner neuen Fassung: „ Satz 1 (Verbot der Einlagenrückgewähr d. Red.) gilt nicht bei Leistungen, die bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags (§ 291) erfolgen oder durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Aktionär gedeckt sind“.
Da die HM Kommanditaktionär bei der KGaA ist und mit dieser die Marketingverträge geschlossen hat, könnte man durchaus prüfen, ob die Tatbestandvoraussetzungen des § 57 AktG hier vorliegen.
Herr Wittsiepe meint nun, dass schon aufgrund der Tatsache, dass die HM 20 % der Fernseheinnahmen der KGaA „kassiere“, ohne bezüglich dieser „Gelder“ eine konkrete Marketingleistung zu erbringen, ein „vollwertiger Gegenanspruch“ nicht gegeben sei, also ein objektives Missverhältnis zwischen den ausgetauschten Leistungen zum Nachteil der AG vorliege.
Diese pauschale Behauptung ist falsch.
Ich möchte dazu aber schon an dieser Stelle feststellen, dass ich damit auch nicht sagen will, dass die KGaA tatsächlich einen „vollwertigen Gegenanspruch“ erhält. Diese Frage möchte ich ausdrücklich offen lassen, da ich mich persönlich mit den mir zur Verfügung stehenden Informationen nicht in der Lage sehe, nach den unten aufgeführten Bewertungskriterien der Rechtsprechung sicher zu entscheiden, ob der Anspruch nun „vollwertig“ ist, oder nicht. Gerne würde ich den Portalusern aber erläutern, wie die Rechtsprechung in einem solchen Fall prüft und welche Kriterien sie maßgeblich zugrunde legt.
Dazu muss man zunächst einmal wissen, was mit einem „vollwertigen Gegenanspruch“ überhaupt gemeint ist. Eine „verbotene Rückgewähr“ liegt nach der Rechtsprechung nur dann vor, wenn zwischen gegenseitigen Leistungen ein objektives Missverhältnis zum Nachteil der KGaA vorliegt. Liegt kein solches Missverhältnis vor, kann man von einem vollwertigen Gegenanspruch sprechen, sodass dann auch keine verbotene Einlagenrückgewähr vorliegt. Hierzu muss man folgendes wissen:
Aus sogenannten gegenseitigen Verträgen resultieren für beide Vertragsparteien Leistungspflichten die im Austauschverhältnis zueinander stehen. Ein solcher gegenseitiger Vertrag ist auch der hier vorliegende Marketingvertrag, der als Dienstvertrag zu qualifizieren sein wird. Beim Dienstvertrag hat der Dienstberechtigte einen Anspruch gegen den Dienstverpflichteten auf Erbringung der Dienstleistung. Der Dienstverpflichtete hat gegen den Dienstberechtigten einen Anspruch auf die Zahlung einer „Vergütung“.
Im vorliegenden Fall hat die KGaA daher einen Anspruch auf alle mit der HM vereinbarten „Marketingaktivitäten“ und die HM einen Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Vergütung.
Gegenanspruch i.S.d. § 57 S. 3 AktG ist hier der Anspruch auf alle im Marketingvertrag vereinbarten „Marketingaktivitäten“. Dieser Anspruch müsste im Vergleich zu dem gesamten Vergütungsanspruch der HM „vollwertig“ sein.
Zur Vergütung ist folgendes zu sagen:
Die Vertragsparteien können sich grundsätzlich über die Art und die Höhe der Vergütung frei einigen (zur Höhe, die hier wegen § 57 AktG nicht vollkommen frei verhandelbar ist, komme ich gleich noch). Sie sind insbesondere frei, ob sie für die Vergütung in Form eines fixen Lohnes (Bsp.: X EUR pro Jahr/Monat), einer Beteiligung am Umsatzes bzw. an Teilen desselben oder einer Provisionsbeteiligung gewähren. Auch weitere Formen der Vergütung sind denkbar. Selbstverständlich können die Parteien die Vergütungsformen auch mischen (z.B. Fixgehalt und Provision).
Anstatt der Beteiligung von 20 % an den Einnahmen der Fernsehgelder hätte man so z.B. auch einen bestimmten fixen Lohn der HM in EUR vereinbaren können. Aus welcher (erlaubten) Einnahmequelle die Vergütung geschöpft wird, ist unerheblich! So könnte z.B. auch ein Steuerberater mit seinem Friseur, statt einer bestimmten Höhe der Vergütung in EUR, vereinbaren, dass dieser ihm 2 Mal im Monat die Haare schneidet und der Friseur dafür mit einem bestimmten Anteil des Jahresumsatzes des Steuerberaters bedacht wird. Obwohl der Friseur keinen Einfluss auf die Entwicklung des Jahresumsatzes des Steuerberaters hat, liegt selbstverständlich aufgrund dieser Vereinbarung ein gegenseitiger Vertrag vor, denn die Gegenseitigkeit beruht auf die im Austauschverhältnis stehenden gegenseitigen Leistungspflichten des Steuerberaters und des Friseurs.
Es spielt daher keine Rolle, ob die HM keinen Einfluss auf die Vermarktung der Fernsehgelder hat. Entscheidend ist alleine, ob der Anspruch der KGaA auf die Erbringung aller vereinbarten Marketingaktivitäten (Gegenanspruch) im Vergleich mit dem gesamten Vergütungsanspruch der HM als „vollwertig“ zu betrachten ist (Der Wert der jeweiligen Ansprüche ist entscheidend!).
Wie Herr Wittsiepe dann richtig ausführt, ist dies nicht der Fall, wenn eine „verbotene Rückgewähr“ vorliegt, also wenn zwischen den gegenseitigen Leistungen ein objektives Missverhältnis zum Nachteil der KGaA feststellbar ist.
Die Rechtsprechung versucht hierbei zunächst einen Marktpreis im schuldrechtlichen Sinne zu ermitteln. Hier würde man daher versuchen festzustellen, welchen Marktpreis alle im Vertrag vereinbarten Marketingaktivitäten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gehabt haben. Auch würde die Rechtsprechung etwaige Vor- und Nachteile der KGaA durch den konkreten Vertragsschluss, die ein Abweichen vom durchschnittlichen Marktpreis rechtfertigen würden, berücksichtigen.
Dass die Ermittlung eines Marktpreises zu einem Zeitpunkt in der Vergangenheit bei Massegeschäften wie z.B. Kaufverträgen über einen ganz bestimmten KFZ-Typen einfacher als bei dem hier vorliegenden speziellen Geschäft, bei dem es auch nur eine kleine Zahl von Anbietern und Nachfragern gibt, liegt auf der Hand. Hier kommt hinzu, dass man wohl nur schwer Zugriff auf entsprechende Verträge aus den betreffenden Jahren von vergleichbaren Konkurrenten mit anderen Vermarktern bekommen wird.
Sollte ein Marktpreis nicht zu ermitteln sein, so besteht ein Missverhältnis nur dann, wenn der Wert von Leistung und Gegenleistung erheblich voneinander abweichen, wenn also das unternehmerische Ermessen in nicht mehr vertretbarer Weise ausgeübt wird.
Hierbei dürften insbesondere die Risikobewertung und die Prognose der Einnahmeentwicklung des für die KGaA handelnden Organs zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Einfluss auf die Entscheidung des Gerichts haben. Wie wir wissen, hängt die Entwicklung der Einnahmenseite aufgrund der Bedeutung der Fernsehgelder einer an dem Spielbetrieb der DFL teilnehmenden Gesellschaft insbesondere von deren Ligazugehörigkeit und dem Tabellenplatz ab. Zudem werden die Fernsehgelder von der DFL zentral vermarktet und können sich nach den konkreten Abschlüssen nach oben oder nach unten entwickeln, ohne dass die konkrete Gesellschaft darauf alleine Einfluss nehmen kann. Auch die Verteilung der vereinbarten Fernsehgelder wird oft neu verhandelt wobei hier zunehmend die großen Vereine/Gesellschaften darauf pochen, immer mehr vom zum verteilenden Kuchen zu bekommen. Gerade diese Unsicherheiten könnten einen vorsichtigen Geschäftsführer dazu veranlassen, statt einer fixen Vergütungshöhe einen bestimmten Prozentsatz gerade von dieser Einnahmenquelle mit dem Vermarkter zu vereinbaren.
Ob die Höhe des konkreten Prozentsatzes im Vergleich zu den „Marketingaktivitäten“ der HM angemessen ist, möchte ich hiermit ausdrücklich nicht feststellen.
Wie Sie aber wohl bei diesen Ausführungen gemerkt haben, dürfte der Ausgang eines möglichen Prozesses, insbesondere aufgrund der erforderlichen Auslegung und der Subsumption unter unbestimmte Rechtsbegriffe, maßgeblich von der sehr subjektiven Einschätzung des Gerichts abhängen.
Ein möglicher Prozess ist daher selbst wenn man durch entsprechende Gutachten zu dem Ergebnis kommen sollte, dass begründete Erfolgsaussichten einer entsprechenden Klage bestehen, äußerst sorgfältig vorzubereiten.
Meiner Einschätzung nach sollte man aber auch in diesem Falle ernsthaft versuchen, mit dem Vertragspartner eine außergerichtliche Einigung anzustreben, denn das immer noch denkbare
Risiko eines verlorenen Prozesses scheint mir in diesem Falle zu groß.
Meinen Beitrag schließe ich mit einer Reimvorrede des berühmten „Sachsenspiegels“ ab:
Das Recht niemand lehren kann,
das den Leuten allen
könnte wohl gefallen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen, trotz der stürmischen Zeiten für Verein, Mitglieder und Fans, einen besinnlichen zweiten Advent!