Was für mein Empfinden in den Medien bisher vollständig fehlt ist die Auseinandersetzung damit, wie die Unsummen, auf die mittlerweile 20+X Millionen Steuern ungezahlt verbleiben, erworben wurden. Wie Hoeness schon in seiner damaligen Stellungnahme in der Zeit deutlich gemacht hat, war er ein rücksichtsloser Zocker, der sich sogar selbst in die Pleite manövrierte, und von aussen wieder flott gemacht werden musste. Hier ist ganz offenkundig so ein Kreislauf am Wirken, wie man ihn bei Alkoholikern und Junkies ebenfalls antrifft: die Sucht führt zu regelmässigen Zusammenbrüchen, dann gibt es öffentliche Rechtfertigung und Selbstkasteiung und das Ziel, sein Leben zu ändern. Gleichzeitig ist die Person von einer Gruppe von Coabhängigen umgeben, welche im Kollektiv verhindert, dass sie wirklich was ändern muss, da sie ihm, genauso zwanghaft wie der Kranke selbst, an unpassendsten Stellen immer wieder aufhilft. Ich finde, dass Hoeness auch in der unterschwelligen Aggressivität seiner Einlassungen (wenn er sagt, dass er kein "Sozialschmarotzer" ist) ganz und gar so wirkt wie ein hochgradig kranker Mann, der dringend Hilfe benötigte, was aber sein Reichtum und seine Prominenz verhindern.
Das vermindert aber im Prinzip nicht seine Schuldfähigkeit, denn auch Junkies müssen ja in den Knast. Und manchmal ist das anscheinend auch notwendig, allein schon, um diesen Kreis pathologischer Coabhängigkeit zu durchbrechen. Ich finde, in dieser Hinsicht machen sich die Medien, die immer wieder Diskussionsrunden darüber entfachen, ob der "Ulli" nicht im Grunde ein Herzensguter ist, der irgendwie sogar recht hat, denn schliesslich bauen die Politiker mit einem Teil der Steuern ja auch ziemlichen Mist, mitschuldig. Was mich besonders aufgeregt hat sind diese Grussadressen, die man einigen Bayernspielern entlockt hat mit dem Tenor, dass es beim Gewinnen der Pflichtspiele auch ein kleines bisschen darum gehe, Hoeness aufzubauen.
Im Grunde macht man damit Hoeness selbst lächerlich und führt ihn wie einen Tanzbären an der Nase im Ring herum. Tragisch, dass der das offenkundig gar nicht kapiert und seine Statements in alter Frische raushaut, dass die Stammtische in den BIerzelten sich biegen. Wie gesagt, "Sozialschmarotzer", und so. Was kann es einen Hoeness tatsächlich aufregen, wenn ein paar Omas in München ihre Rente nach Hartz sowieso aufgestockt kriegen? Hier ist eine ästhetische und moralische Grenze überschritten, wenn man den Mann sowas sagen lässt. Das ist unanständig, und man sollte Hoeness eigentlich davor schützen, derart blank zu ziehen. Statt dessen werden Aussagen wie diese noch breit verschmiert, und im Ernst wird, von Jauch bis Plasberg, unverändert drüber diskutiert, ob nicht doch was dran ist. Widerlich, für ihn, für uns, für alle.
Was man auch nicht vergessen darf: diese Zockerei an den Börsen, die auch Hoeness exzessiv betrieb, zahlen wir heute alle mit ab. In der allergrössten Mehrzahl hatten wir ein jeder für sich persönlich nix davon, aber heute hat jeder von uns Schulden aus den Zusammenbrüchen, die das nach sich gezogen hat, den Rettungsschirmen, die den Regierungen aufgezwungen wurden, damit wenigstens die Spargroschen der breiten Bevölkerungsschichten noch erhalten werden konnten. Wenn dein Sohn auf sein Sparbuch noch 0.5 Prozent Zinsen kriegt, du aber für die Raten deines PKW weiterhin 7 Prozent zahlst, darfst du dafür auch mal bei unserem Ulli anklopfen, und dich nett dafür bedanken. Vielleicht gibt er dir sogar ein paar Würstchen und ein Weizenbier aus.
Was mir so im Kopf rumgeht, wenn ich mir das angucke, von wem alles der Typ weiterhin verteidigt wird, ist die alte neue Frage, ob die nicht alle so sind. Sollte man sie vielleicht in einen Sack stecken, den Kentsch, den Hoeness, unseren Walter und noch ein paar hundert andere, um sie durchzuprügeln, wissend, dass man sowieso immer den Richtigen trifft? Ich habe mir eigentlich abgewöhnt, in solchen Pauschalkategorien zu denken, wie "die da oben sind eh alles Verbrecher" wie es bei den Vorfahren noch gute Sitte war. Ich finde aber, dass der Fall Hoeness solche Verkürzungen in sehr obszöner Manier herausfordert.