Ich habe gestern die Ruhe und Zeit gefunden, dass Spiel relativ intensiv von einer übersichtlichen Sitzposition zu verfolgen und hatte zudem das Glück in der Halbzeit ein paar Worte mit Ivo zu wechseln, der mir einige Detailfragen beantworten konnte. So ergibt sich für mich mittlerweile ein relativ klares Bild zur Spielphilosophie von unserem neuen Coach und zum aktuellen taktischen Entwicklungsstand unserer Zebras.
Inidivduell war das gestrige Spiel stark wechselhaft, mannschaftstaktisch fand ich es aber richtig gut, auch wenn im Detail die Abläufe sicher noch optimiert werden müssen. Gino begann im 4-2-3-1, was sich gegen den Ball im Pressing zu einem klaren 4-4-2 formierte. Im Gegensatz zum Spiel gegen Liefering als wir auf einen teilweise chaotisch pressenden Gegner trafen, spielten die Heidenheimer ziemlich dizipliniert und geordnet. Zudem war die Spielfeldgröße dieses Mal auch "passend", so dass beide Mannschaften relativ klare Spielansätze zeigten.
Auffällig war für mich zu Beginn der Flügelfokus. Vor allem über die rechte Seite wurde immer wieder der Durchbruch gesucht. Albutat und Klotz haben mir da überaus gut gefallen. Sie zeigten ein paar schöne gruppentaktische Bewegungen und konnten die Heidenheimer durch ihr direktes und schnelle Spiel immer mal wieder in Schwierigkeiten bringen, obwohl die Heidenheimer aufmerksam rausschoben. Verbesserungswürdig empfand ich die Unterstützung des Mittelfeldes. Bohl schob zwar immer wieder auf die Seite, aber die Einbindung gelang nicht so gut. Janjic wäre natürlich auch eine Option für kurze Ablagen, wird aufgrund seiner Stürmergene aber auch oft auf Durchbrüche spekulieren und sich deswegen zentral aufhalten. Mal schauen, was sich da für Synergien ergeben.
Die Absicherung des Rückraums durch den präsenten und rausrückenden Schorch schien aber zu passen. Zudem fiel er durch ständige Ansagen auf, die auf der Trainerbank aber nicht immer auf Gegenliebe stießen (Zitat Gino: Was erzählt der da hinten

)
Über links lief leider nicht so viel, es wurde aber auch selten versucht. Ob das jetzt eine taktische Anweisung war oder der Gegner es nicht zuließ kann ich nicht sagen. Der Eindruck aus dem Liefering-Spiel das Grotes Bewegungen noch nicht zu unserem Spiel passen und er sich oft isoliert bzw. in ungünstigen Situationen angespielt wird, erhärteten sich aber. Hier wird das dynamische Potential von Wolze und Grote noch nicht optimal genutzt. Das dürfte aber nur eine Abstimmungssache sein.
Über das Zentrum lief nicht so viel, aber mir wurde bestätigt, dass der Flügelfokus erwünscht ist. Trotzdem fand ich Davids und Bohl von den Bewegungen im Aufbau (vertikale Staffelung: der ballferne Spieler kommt, der ballnahe geht und öffnet den Raum) im Ansatz besser als letztes Jahr. Sie wurden aber selten in engen Situationen angespielt, wobei ich es ihnen technisch zugetraut hätte.
Auch Janic kann als Verbindungsspieler eine echte Waffe sein. Er ließ sich immer wieder geschickt fallen und bewegte sich für mein Empfinden kreativ und kann durch seine Fähigkeit den Ball auch in Drucksituationen zu behaupten und weiterzuleiten, den Zehnerraum dynamisch bespielen. Er ist kein klassischer Zehner (also Ball halten, schauen, Nadelpass spielen) sondern fast schon ein falscher Neuner, der wegen seine Abschlussstärke natürlich auch oft die torgefährlichen Zonen sucht. Aber auch bei ihm fehlt noch die Abstimmung zu den Kollegen, da er sich teilweise etwas unorthodox und improvisiert bewegt. Ich würde ihn da fast schon mit Ibrahimovic vergleichen (also nur von den Bewegungen

). Wenn die Mitspieler ihn besser kennen, sehe ich da aber viel Potential.
Dann noch ein paar Worte zur die Arbeit gegen den Ball. Grundsätzlich habe ich sie etwas passiv-abwartend, aber sehr geordnet erlebt. Es wird sehr zügig und kollektiv Richtung Ball verschoben. Situativ werden Fehler im gegnerischen Aufbau (unsaubere Pass, Ball verspringt, etc.) aber genutzt um den Raum sofort zu verdichten und "drauf" zu gehen. Auch das Umschaltverhalten nach Ballverlusten im aufgerücktem Zustand fand ich gut. Ballnah wurde versucht sofort Druck zu machen, die restliche Mannschaft schloß die tiefen Räume. Vorteilhaft ist hier natürlich, dass man viele schnelle Spieler im Kader hat.
Aufgefallen ist mir zudem noch eine Mannorientierung vor allem in Ballnähe. Es gab klare Zuordnung und die Gegenspieler wurden teilweise relativ intensiv verfolgt. Gino möchte da wohl zum einen den Aufbau des Gegner stören und spekuliert zum anderen auch auf Balleroberungen. Diesen Trend, also die Vermischung der modernen Raumdeckung mit der klassichen Manndeckung war ja auch bei der WM oft zu sehen (z.B. Algerien und Holland) und stellte auch die Heidenheimer gestern vor einige Probleme. In der ersten Halbzeit gab es bis auf den lächerlichen Elfer und ein, zwei ungefährlichen Distanzschüssen eigentlich keine Heidenheimer Chance.
So viel zu den ersten 38 Minuten. Dann gab es eine Anweisung von Gino an Bohl auf 4-1-4-1 umzustellen. Davids spielte den alleinigen Sechser, Bohl ging neben Janic auf die Acht. Auch gegen den Ball wurde diese Staffelung beibeihalten, was natürlich den Vorteil hat, dass die zweiten Kette etwas höher steht und man schnelleren Zugriff im Pressing bekommt. Da Heidenheim den Zehner- und Zwischenlinienraum sowieso kaum bespielt hat, reichte ein alleiniger Sechser auch völlig aus. Nur bei der Entstehung zum 2:0 stimmte in diesem Bereich irgendetwas nicht, ich konnte das aber nicht konkret festmachen.
Dieses 4-1-4-1 wurde auch in der zweiten Halbzeit beibehalten. De Wit und Janjic spielten die Acht, Bohl ging auf die Sechs. Später spielte auch Schnellhardt auf dieser Position und zeigte wieder mal ein paar schöne Ballbehandlungen. Grlic hält auch größe Stücke auf ihn, wobei er andeutete, dass Schnellhardt vor allem perspektivisch verpflichtet wurde, er in der ersten Zeit herangeführt und von den erfahrenen Mittelfeldspielern lernen soll.
In der zweiten Halbzeit und mit der Umstellung auf die zwei Achter ging dann mehr durch die Mitte. Es gab in meinen Augen viele schön kombinative Ansätze, die aber nicht sauber zu Ende gespielt wurden. Es fehlte mal Passschärfe, mal gab es technische Probleme bei der Ballverarbeitung. Die Strukturen stimmten aber und ein weitere Punkt von Gino Spielidee wurde deutlich. Im letzten Spielfelddrittel liegt der Fokus auf schnellen und damit auch riskantem Direktpassspiel. Es ist also durchaus ein attraktive Spielweise zu erwarten. Wichtig bei diesem Spielansatz ist natürlich eine gewisse technische Klasse, Geschwindigkeit und auch eine entsprechende ballnahe Positionierung (um Optionen für den Ballführenden zu schaffen).
Dafür zieht Gino bekanntermaßen auch gerne die AV mit hoch, was Räume auf dem Flügel öffnet. Diese Gefahr wird wohl aber wohl bewusst in Kauf genommen bzw. muss gut abgesichert werden. Mir sind da gestern eigentlich nur wenige Momente aufgefallen, wo dieses Absicherung nicht richtig funktionierte. Insgesamt eine klare Steigerung zum Liefering-Spiel.
Womit wir bei Sascha Dum und Kevin Wolze wären. Die Hoffnung das Dum gegen Regensburg in der Startelf spielt, sollten wir besser nicht haben. Gesundheitlich ist er noch nicht auf der Höhe und das sieht man seinem Laufstil auch an. Wolze als "Notlösung" funktioniert derzeit wenig. Zweikampfführung und Passspiel waren gestern teilweise gruselig und das weiß Kevin auch selber. Seine Postionierung ist aber besser als unter Reck. Am Zweikampfverhalten kann man arbeiten und die Unsauberkeiten im Passspiel würde ich eher auf die Belastungen des Trainingslagers zurückführen. Insgesamt denke ich schon, dass Kevins Anlage gut zur Spielidee von Gino passt. Man muss halt nur daran arbeiten.
Im Laufe der zweiten Halbzeit ist das Spiel durch die vielen Wechsel dann etwas zerfahrener geworden. Wer sich ernsthaft über einige Minuten M´Bengue als rechte AV und Janjic auf der Sechs hochzieht, um den Trainer zu kritisieren, hat da etwas in Bezug auf Trainingslager, Testspiel und Mannschaftsgeist nicht so ganz verstanden.
Kommen wir zu den Spielern: In der Startelf standen nur drei Spieler der letzten Saison, was zum einen die hohe Fluktaktion als auch die Qualität der Neuverpflichtungen zeigt.
Albutat find ich gut, scheint relativ flexibel und komplett zu sein. Für mich ähnlich wie Kühne ne defensive Allzweckwaffe, aber technisch und spielerisch stärker. Kühne scheint dafür aber stärker in den defensiven Grundtugenden zu sein.
Schorch könnte Publikumsliebling in Duisburg werden. Ne echte Zweikampfsau, im Training immer für ein lockeren Spruch gut, mit vielen Ansagen und ohne Skrupel beim Gegenspieler. Meißner etwas verhaltener, aber von der Spielanlage ähnlich. Beide spielen einen relativ schnörkellosen Ball mit grundsolidem Passspiel. Zwar nicht so spielstark und variabel wie Bajic (dessen Fehlen gestern aber nicht ins Gewicht fiel), dafür aber schneller.
Bohl gestern zwar mit einigen kleinen Fehlern, aber vom Aktionsradius ähnlich wie Sukalo, also zwischen den Strafräumen unterwegs. Davids war gestern etwas indisponiert, aber hat wohl insgesamt einen stabilen Eindruck im Trainingslager hinterlassen. Gino sucht wohl noch einen echten Wadenbeißer (ich denke für die alleinige Sechs im 4-1-4-1), der zum einen zweikampf- und laufstark sein soll, die Bälle dann nach der Eroberung aber auch sinnvoll weiterspielen kann. Ob er verpflichtet wird, wird sich diese Woche entscheiden. Finanzierbar ist er wohl, aber mein Gefühl sagt eher nein, hängt vielleicht auch von den Alternativen ab.
Zu Janic habe ich ja schon oben was geschrieben. Für mich ein Hoffnungsträger auch in Sachen Persönlichkeit, wobei er sich gestern aber auch einige Male ausgeruht hat. Qualitativ auf jeden Fall für die dritte Liga überdurchschnittlich.
Onuegbu ist mir gestern leider mit vielen Fehlern in der Ballannahme aufgefallen, er war aber wesentlich aktiver und bemühter als zum Ende der letzten Saison wirkte, auch bei der Arbeit gegen den Ball. Insgesamt sollte die Konstellation mit dem Flügelfokus und Janic als rouchierendem Partner sehr gut zu seinem Spiel passen.
Klotz hatte ich ja oben schon gelobt. Er gefällt mir auch, weil er nicht nur linear zum Tor zieht, sondern auch horizontal gute Bewegungen zeigte. Nur die Entscheidungfindung fand ich gestern zeitweise etwas unglücklich. Grote ist für mich noch nicht so richtig angekommen. Aber auch bei ihm ist ne Menge Potential vorhanden. Da erzähle ich wohl nix Neues. Schnellhardt? Ich bin ein großer Fan. Ich mag so Spieler. Hoffentlich kriegt er seine Einsatzzeiten und bringt den nötigen Biss mit.
Für Kühne, Aycicek und Öztürk wird es unter Gino in Sachen Stammelf schwer. Kühne für mich der defensive Joker bei Verletzungen und Sperren. Aycicek ne Wechseloption für die letzten Minuten (auf seinen Positionen ist einfach viel Konkurrenz und Qualität) und Öztürk kann man als defensiven Rettungsanker gegen Hoch-und-Weit-Truppen in Erwägung ziehen. Fussballerisch ist die Konkurrenz für ihn in der defensiven Zentrale zu hoch, vor allem wenn Davids (oder ein anderer) noch kommt und Albutat nach der Rückkehr Willes wieder zentrale Ansprüche stellt.
Mein Fazit zum gestrigen Spiel ist insgesamt positiv. Taktisch fand ich es gegen den Ball überaus gut (nur drei echte Heidenheimer Chancen). In der Summe waren wir sogar die spielbestimmende Mannschaft. Bei Ballbesitz klappte noch nicht alles. Mal gab es individuelle Ungenauigkeiten, mal fehlte es an Verbindungen (es gab immer wieder Momente, wo die Mannschaft etwas zweigeteilt war) und die Topverpflichtungen sind noch nicht richtig eingebunden (Grote, Janjic).
Wichtig ist die ersten Spieltage unbeschadet zu überstehen, gut in die Saison zu kommen und den Anschluß nach oben nicht zu verlieren. Dann ist im Laufe des Saison alles möglich...