"Die drei Tore waren Steilvorlagen von uns. Das war ja nicht rausgespielt." Diese Worte stammen von Gino. Geäußert auf der gestrigen PK. Dass Runjaic parallel die Nase rümpft wird nicht an einem Juckreiz gelegen haben
In einer Hinsicht hat Gino natürlich Recht. Allen Toren gingen individuelle Fehler voraus. Wolze beim 0:1, Janjic beim 0:2, Bomheuer beim 0:3. Zudem entsprang kein Tor einem gepflegten Ballbesitzspiel, so wie es von den Lauterern zu erwarten war. Alle Tore entstanden aus Umschaltaktionen bzw. langen Bällen. Aber waren die Tore wirklich nicht raus gespielt? Ich glaube hier irrt der gute Gino und er wird anderer Meinung sein, wenn der das Spiel analysiert hat. Ich hab`s mir in Ruhe nochmal am Fernseher angeschaut. Die Explosivität der Lauterer Laufwege lassen durchaus den Schluss zu, dass sie ganz bewusst, den Raum hinter Wolze bzw. zwischen Wolze und Bajic gesucht haben. Ich glaube hier hat der ehemalige MSV-Trainer den jetzigen MSV-Trainer ein wenig ausgecoacht. Zwei Tore sind so entstanden.
Überhaupt bleibt natürlich die Frage, wieviel gestern Taktik und wieviel Qualität bzw. "Nicht-Qualität" war. Michael (Wildberg) saß in Halbzeit 1 vor mir und er dreht sich irgendwann um und sagte, dass das Ergebnis nix mit Taktik zu tun hatte, woraufhin ich (natürlich) verneinte. Die Wahrheit liegt bekanntlich in der Mitte. Wie
@Robbe1967 schon richtig sagte, bleibt die Frage, wieso der MSV überhaupt so hoch stand. Wenn ich ehrlich bin, waren die ersten 15-20 Minuten der komplette Wahnsinn in Bezug auf Intensität, Pressen, Raumverdichten und Druck auf den Ball machen. Aber von beiden Seiten. Die Lauterer haben da fröhlich mitgemacht und uns letztlich mit unseren eigenen Waffen geschlagen. Die Pressingschlacht haben die Pfälzer gewonnen. Und in dieser Phase wurde das Spiel entschieden.
In eine gepflegte Ballzirkulation kam in dieser Phase keine Mannschaft und langen Bälle spielen in solchen Situationen selbst die ballsichersten Teams. Sie waren keine direkte taktische Ausrichtung, sondern nur Folge der gegnerischen Spielweise. Lautern hat auch viel rausgeschlagen. Gino hat auch kurz vor dem 0:1 mehr Ruhe und Balllaufen lassen von seiner Mannschaft gefordert. Fraglich ist aber, ob dieser Rat von der Mannschaft überhaupt umzusetzen gewesen wäre. Ballzirkulation hat nämlich zwangsläufig etwas mit Staffelung, gleichmäßige Zonenbesetzung und Passwinkeln zu tun. Und diese können nicht optimal sein, wenn man intensives Pressing betreibt. Dann steht man nämlich eng beieinander und besetzt die ballfernen Räume nicht. Auch der Fehler von Wolze vor dem 0:1 war nix anderes als ein Staffelungsproblem. Kevin wollte den Druck nämlich hintenrum lösen, aber die Optionen fehlten bzw. seine Mitspieler standen zu eng an den Gegenspielern. Deswegen drehte er sich die Linie hoch und verlor prompt den Ball.
Ich habe zu meiner Frau schon nach 10 Minuten gesagt, dass die da unten mit dem Feuer spielen. Es hätte auch gut gehen können, keine Frage. Das Spiel war durchaus ausgewogen und so ein Vollgas-Fussball kommt beim Zuschauer und Fan immer gut an. Am Ende muss man sich aber wohl zugestehen, dass es der falsche Weg war oder dass die Umsetzung zu krass war. Vor allem die hohe Kette hat mich gewundert. In der dritten Liga war der MSV über Pässe in die Tiefe kaum verwundbar. Da stand man zu Gunsten einer stabilen Absicherung generell eher etwas tiefer und offenbarte dafür Lücken im Sechserraum (was aber kaum ein Gegner zu nutzen wusste). Wieso macht man es jetzt in Liga 2 anders? Oder ist man einfach über`s Ziel hinaus geschossen? Overacting sozusagen?
Dazu passt auch das 0:3. Hier war nämlich so langsam im Pressing-Wahnsinn die Luft raus, sowohl körperlich als auch gedanklich. Wolze rückt zwar noch nah auf den Gegenspieler, aber öffnet dadurch auch die Schnittstelle in der Kette. Grote steht irgendwo im luftleeren Raum, Janjic geht zu spät drauf und Bajic und Bomheuer stimmen sich ungünstig ab. Der Rest ist von Przybylko natürlich gut gemacht, aber irgendwie war`s trotzdem vermeidbar. Gino hat vor dem Spiel gesagt, dass man nach dem Spiel erkennen wird, woran man noch arbeiten muss. Jetzt wissen wir es! Und das ist das Positive. Ein ermauertes 0:0 hätte uns weniger gebracht.
Die Halbzeit 2 war dann fast schon gewöhnlich. Lautern blieb mit sieben, acht Spielern passiv und schloss vor allem das Zentrum. Unsere Jungs versuchten sich im flachen Aufbauspiel. Auch hier hat man den Unterschied zur 3.Liga gesehen. Selbst ins 2.Spielfeldrittel sind wir nur schwerlich gekommen. Lauterns Offensivspieler sind wirklich sehr geschickt angelaufen und haben ihren Deckungsschatten effektiv genutzt.
Lettieri hatte Janjic in diesem Moment längst auf die Sechs gezogen. Zladdi hatte gestern wirklich nicht seinen stärksten Tag. Aber wieso er durchspielt, ist für mich schon nachvollziehbar. Zlatko ist halt sehr flexibel, auch unter Gegnerdruck ballsicher und hat ein gutes Gefühl für Strukturen und Räume. Auf der Sechs nimmt man ihm natürlich seine Torgefahr und seine Zockerqualitäten. Aber Gino hatte keine andere Wahl. Ich hoffe, Holland löst dieses Problem und Janjic kann sich wieder in höheren Räumen rumtreiben (wobei ich Albutat eigentlich ganz ok fand, aber einer alleine reicht in Liga 2 wohl nicht). Dass bei uns in Halbzeit 2 auch im Zehnerraum nix mehr passierte, lag nicht nur an der Umstellung auf`s 4-4-2, sondern auch an den aufgestellten Spielertypen. Zwischenzeitlich waren ja vier tororientierte Spieler parallel auf dem Platz (Bröker, Iljutcenko, Brandstetter, Onuegbu).
Bomheuer hat mir hingegen wie schon gegen Porto nicht sonderlich gefallen. Ich würde Meißner gerne wieder sehen. Aber Gino sieht die Jungs jeden Tag im Training. Er sollte es besser wissen. Die Entscheidung für Feltscher war hingegen nachvollziehbar. Obwohl Bohl die rechte Seite nach Feltschers Verletzung in der letzten Rückrunde stabilisierte, fand ich Rolfs Leistung gestern recht ansprechend. Dausch auf der Sechs ist nur eine Notlösung. Sein balljagendes Gemüt und seine Abschlußqualitäten sind vorne wertvoller und birgen hinten sogar gewisse Gefahren, weil er oft zu überhastet rausrückt.
Was bleibt als Erkenntnis? Die Mannschaft ist fit. Sie hat Mut. Sie will sich nicht verstecken. Sie spielt nicht passiv, sondern geht drauf. Aber es fehlt noch die richtige Balance. Lautern offenbarte mannschaftstaktische und individuelle Schwächen. In Sachen Ballbesitzspiel gibt es noch einiges zu tun. Strukturen, (Körper-)Stellung zum Ball und Passqualität (Schärfe und Präzision) waren nicht immer optimal. Auch das, aus der 3.Liga gewohnte, Ablagenspiel mit Onugebu funktionierte kaum. Aber es gibt Alternativen. Die neuen Offensivspieler machen Spaß, obwohl die richtige Bindung noch fehlte. Das war alles schon recht improvisiert. An den Offensivabläufen zu arbeiten ist (zeit-)aufwendig und Teil der Arbeit über die Saison hinweg. Da wird sicher noch einiges passieren.
Defensiv fehlte in den entscheidenden Punkten ein Schuss Handlungssschnelligkeit. Aber viel mehr als den drei Toren ist Lautern auch nicht gelungen. Im Gegenteil. Der Respekt vor "diesem MSV" war so groß, dass man als Aufstiegsanwärter in Halbzeit 2 sehr passiv und tief blieb und noch nicht mal über Konter gefährlich wurde. Alles war nur darauf bedacht, unsere Mannschaft nicht mehr zum Zug kommen zu lassen. Das sollte uns positiv stimmen. Mithalten können wir in dieser Liga auf alle Fälle. Entscheidend wird wohl sein, wie man mit Niederlagen umgeht, sowohl in der Trainingsarbeit (Analyse, Gegenmaßnahmen, etc.) als auch in zwischenmenschlichen Aspekten (Zusammenhalt, Teamgeist, etc.).