Ich glaube, Irland ist gar nicht ganz so klein, wie man vorher das Gefühl gehabt hatte. Ich bin schon enttäuscht, zumal ich mich gerade entschlossen hatte, Yogi Löw jetzt wieder richtig lieb zu haben.
Für mich ein Rückfall in die alten Zeiten, und eine, hoffentlich passagäre, Rückkehr der alten Probleme: vorne Schönwetterfussball, und hinten sind sie so gebannt davon, ihren Stürmern bei Hacke, Spitze, einszweidrei zuzusehen, dass sie nicht aufpassen, wenn der entscheidende lange Ball kommt. Dass dieser kein reines Zufallsprodukt gewesen ist, kann man mal sicher annehmen, denn so stark, dass sie hinten gut verteidigen und auf eine solche Chance warten, sind Iren und viele andere, sogar Georgier, heutzutage allemal.
Und man sollte endlich zu dem erhebenden Gefühl, dass wir die beste Fussballnationalmannschaft der Welt haben, und zwar auf allen Ebenen, und unbenommen von der Konzernstrategie des protzigen Hauptsponsors Mercedes, auch wieder die Demut hinzunehmen, dass hieraus eine Verpflichtung resultiert, seine Gegner entsprechend besonders ernst zu nehmen.
Ein echter Lichtblick, was das betraf, war gestern allein Co-Kommentator Jens Lehmann, der sich wieder echte Fachlichkeit zutraute, zum Beispiel in der tollen Fehleranalye im Bezug auf das Gegentor und die aus seiner Sicht unnötige Schludübernahme seitens Hummels. Da Hummels der offensiver stehende Innenverteidiger war, als der lange Pass kommt, kommt ihm die geringste Schuld daran zu, dass der irische Angreifer so unerreichbar in den endlos hohen langen Ball reinlaufen kann.
Er steht eigentlich, als dieser rausgeschlagen wird, so, dass der Ire im Abseits wäre, und dieses Abseits wird von Boateng und einem weiteren deutschen Spieler aufgehoben, die beide hinter dem Iren sind, und ihn somit anders als Hummels selbst im direkten Blickkontakt haben, sich aber anscheinend nicht schnell genug drüber einigen können, wer jetzt was zu tun hat.
Hier muss Boateng ganz klar die entscheidende Ansage machen.
Die Analyse des Bundestrainers explizit zu der Situation geht aber schlicht so, dass alle drei Verteidiger in dem Moment, in welchem der irische Torhüter an den Ball kommt, schon die Gegenbewegung einleiten hätten sollen, das lange Zuspiel also schon hätten antizipieren müssen, als absehbar wurde, dass der irische Torhüter unbedrängt in Ballbesitz kommen würde. Das erscheint mir in Zeiten des permanenten Gegenpressings etwas weltfremd, ehrlich gesagt; oder ist sowieso nur eine bequeme Aussage für die Öffentlichkeit, damit es keine konkrete mediale Schuldzuweisung im Nachgang gibt.
Löw wollte das lieber allgemein, das heisst, unbeantwortet, lassen, Lehmann insistierte aber, und verband dies direkt mit der Nachfrage, wieso es dazu kommt, dass Hummels hier unnotwendig alle Schuld auf sich nimmt. Zur Situation der ziemlich passiven Aussenbahnen in der Viererkette, die irgendwie wieder kaum bis gar nicht integriert wirkten, und zur Formschwäche von Reus und Schürrle, welche ja nur eine Fortsetzung der Vereinssituation darstellt, gab es leider gar keine Fragen, da Florian König immer wieder relativierend dazwischenschwätzte. Sehr nachvollziehbar hier auch wieder Lehmanns Analyse, der sich, bezugnehmend auf eine Aussage von Manuel Neuer kurz zuvor, einen Angreifer dazu wünschte, dessen Spielanlage mal eine Variation im Bezug auf sein Positionsspiel und seine Laufwege im gegnerischen Strafraum bedeutet.
Sicher ein schwerwiegender Ausfall, auch über den Moment hinaus, ist Mario Götze. Bei endlich aufsteigender Formkurve und jetzt bis zur Winterpause definitiv gegebenem Ausfall schlägt das richtig ins Kontor, denn gerade das gestrige Spiel hat gezeigt, wie sehr sein Spiel gegen tief stehende Gegner ein Element ist, was die Nationalmannschaft benötigt, ob als Joker oder in der Startelf stehend.
Dennoch wird aufgrund dessen, dass Polen wieder nur ein Unendschieden schaffte, wahrscheinlich am Sonntag der Gruppensieg festgetackert, alles andere wäre auch schlicht äusserst unangemessen.