Also ich war nicht restlos begeistert von diesem Spiel. Polen war besonders bis zur Herausnahme von Piszczek defensiv so schwach, dass es einen Unterschied von mehreren Klassen ergab. Aller ging über deren rechte Seite, das erkannte man rasch, und dem wurde zielstrebig nachgegangen. Das deutsche Kurzpassspiel in Strafraumnähe war brilliant, löste deren Strukturen vorbildlich auf, toll auch die Art, wie vorwiegend Boateng und Kroos die Stürmer durch Pässe einsetzten, die so genau durch Zeit und Raum schwirrten, wie einst beim Beckenbauer.
Die zwei Tore durch Müller und Götze: Sahneschnitten des Herauskombinierens, Reif für die Lehrbücher in den Ausbildungszentren. Auch der eigentlich nicht eben präzise agierende Bellarabi brachte sich mit viel Power ein, und leistete tolle Vorarbeit. Trotzdem war man eigentlich dankbar, dass er dann endlich durch Gündogan ersetzt wurde. Dem fehlte der Bezug zu dem Spiel etwas. Am Ende muss man Löw aber recht geben, er hat mit dieser wahrscheinlich generell zu diesem Zeitpunkt ungefähr vorgegebenen Hereinnahme Gündogans in diesem Fall alles richtig gemacht, denn die frische Power des gefährlichen kleinen Mannes im Zentrum zusammen mit seinen auch nicht zu unterschätzenden Qualitäten in der Aufbau- und Defensivarbeit war so etwas wie das Signal an die schon abgearbeitet wirkenden Polen, dass jetzt der Deckel drauf geschweisst wird.
Krass frei aber dann vorher plötzlich der polnische Aussenstürmer, der Lewandowski zu einem Weltklassetreffer verhalf. Das war von den Polen super herausgespielt, aber doch nur eine Gelegenheit, die man ihnen vor die Füsse legte. In so einem wichtigen Spiel, wo man bereits sicher führt, sollte man unweit der Halbzeitpause mehr Spielkontrolle erwarten, zumal gegen tiefstehende Gegner. Ich glaube, wenn die Polen danach mehr gedrückt hätten, wäre es tatsächlich zu einer ernsten Überprüfung hinsichtlich der Qualität des Weltmeisters, die Räume zu besetzten und zugleich Gegner zureichend eng zu markieren, gekommen. Am Ende dann sahen die Polen ziemlich platt aus, und wir spielten es in einer für die Zuschauer unerträglich öde langen Phase in einer Art Grossfeld-Tikitaka ganz hinten rum herunter.
Jedoch der Schlusspunkt mit dem tollen Götze-Abstauber, der vorwiegend daraus resultiert, dass der kleine Angreifer konsequent auf seinem Laufweg durchzieht, und somit unerwartet genau vor dem polnischen Torhüter auftaucht, war nochmal versöhnlich.
Ob für die Polen nochwas gegangen wäre, bleibt unbeantwortet, sie versuchten nicht mehr allzu viel. Ich finde, man kann es zusammenfassend wie Lehmann sehen, der die Abstimmung zwischen Mittelfeld und Angriff zu kritisieren hatte, auch in Anbetracht des sicher verdienten Sieges und der Tatsache, dass Löw und Co. wieder mal zum richtigen Zeitpunkt den Hebel umgelegt haben, was mitnichten eine Selbstverständlichkeit darstellt.
Für mich eindrucksvoll zum Teil Boateng, zusammen mit Hummels und Neuer mittlerweile eine Macht schlechthin. Im Mittelfeld würde ich sagen, dass eigentlich Gündogan als beweglicher Mann dazu gehört, da Kroos und Schweinsteiger beide nicht gerade die spritzigsten sind, jedoch verständlich, wie gesagt, wie Löw es erklärte, dass man bewusst mit dieser Asymetrie-Vorgabe ins Spiel gegangen war, und es hat schliesslich geklappt. Götze fand ich Klasse, auch wenn seine Art der Interpretation eines Stürmers immer wieder die Frage nach einem echten Stossstürmer Nahrung geben wird, was nunmal in der Natur der Sache liegt. So einen eingesprungenen Jagdkopfball wie von Lewandowski wird man von diesem Spieler niemals sehen, dies ist eben nicht sein Metier.
Müller: unverzichtbar in jeder Beziehung, Punkt. Wenn es mit derartigen unverzichtbaren Schlüsselspielern halbwegs rund läuft, dann kann man auf anderen Positionen Varianten je nach Bedarf haben, das gehört zu einer Nationalmannschaft dazu.
Off Topic: Was unabhängig von 'Der Mannschaft' etwas nervte, ist natürlich der Seifenstandverkäufer Florian König. Warum muss man dem armen Löw jetzt jedesmal so einen Espresso da hin stellen? Sind wir in der Sesamstrasse, oder ist das Erwachsenenfernsehen?
Gut gefiel mir indes wieder Jens Lehmann: als der eigenständig mit Manuel Neuer in den Dialog ging, guckte der auf einmal nicht mehr mit seinem Achtung! Reporter-Gesicht, sondern sprach wie ein hochbezahlter und sehr spezialisierter Fachmann übers Metier...so muss es sein!