Weil ich ja immer positiv denke, bin ich wenigstens dahingehend erleichtert, daß das ewige Argumentieren nach dem Prinzip "in dubio contra Gino" endlich sein Ende findet. Wenn das Team besser ist als 18 Konkurrenten, hat es das trotz Gino geschafft. Wenn das Team schlechter ist als 17 Konkurrenten, hat es die Sache wegen Gino verbockt. Wenn das Team mit direktem Hau-Ruck-Fußball und langen Bällen erfolgreich spielt, tut es dies, weil es Ginos Versuch, Partien spielerisch zu lösen, "überwindet". Wenn das Team mit direktem Hau-Ruck-Fußball und langen Bällen keine Punkte einfährt, tut es dies, weil Gino überhaupt gar nicht erst ein "Konzept" oder eine "Taktik" hat.
In der Aufstiegssaison war Ginos größtes Verdienst m.E. seine Fähigkeit, ein auf der psychologischen Ebene hervorragend zusammengestelltes Team perfekt zu moderieren, es kontinuierlich zu einer enorm geschlossenen Einheit (in taktischer und mentaler Hinsicht) zu formen und damit die sportliche Weiterentwicklung über zahlreiche Rückschläge - ergebnistechnisch, spielerisch, psychologisch und in Sachen Ansehen bei den Fans - hinwegzutragen. Als die halbe Fanszene nach der legendären Niederlage in Stuttgart kollektiv ausrastete, den Aufstieg abhakte und damit die Löschung des MSV aus dem Vereinsregister als quasi feststehend proklamierte, behielt die Truppe die völlige Ruhe, gab nicht auf, spielte erfolgreich - und stieg auf. Daß sie das trotz Trainer geschafft haben soll, würde ich im besten Falle als eine "gewagte These" bezeichnen, weil sie für mich argumentativ unsauber ist und faktisch noch nicht einmal schwerlich, sondern gar nicht belegbar ist. Ich halte sie allenfalls für eine emotional angetriebene "Erledigung" dessen, was Lettieris Anteil am Erfolg gewesen sein soll. Ganz nebenbei wird der zugunsten Ginos wirkende Faktor "Aufstiegstrainer" eliminiert, weil er da ja eigentlich gar nix für konnte.
Im Endeffekt war Lettieris Ruf trotz Aufstiegs schon vor der laufenden Saison weitgehend ramponiert und das nicht erst seit Oberhausen. Vielleicht, weil er auf die Fans hörte, die noch in der Hinrunde 2014 genug von seinen sturen "Tiki-Taka"-Phantasien hatten und endlich zielgerichteteren Fußball sehen wollten. Fußball, der am Ende trotz positiver Ergebnisse natürlich unansehnlich war, was einige nunmehr verspätet zu dem Schluß drängt, daß eigentlich schon in der Aufstiegssaison alles Kacke war. Daß jetzt, da der Erfolg ausblieb, wieder aggressiv ein spielerischer Ansatz gefordert wurde, ist da kaum noch der Rede wert. Vielleicht war er ungeliebt, weil er sich vehement weigerte, den Fans in den Arsch zu kriechen. Vielleicht, weil er konsequent sein Ding durchzog. Vielleicht auch einfach wegen chauvinistischer Ressentiments. Ich weiß es nicht. Ist mir jetzt auch völlig gleichgültig.
Ich finde es menschlich schlichtweg schade, daß Lettieri nicht mehr unser Trainer ist. Ich halte ihn nach wie vor für fachlich einwandfrei, für im richtigen Maße leidenschaftlich, nicht stur, sondern für flexibel - einfach für einen guten Trainer, der grundsätzlich imstande ist, jede Mannschaft nach vorn zu bringen. Doch die Zweifel, daß es ihm mit dieser Mannschaft nicht mehr im entscheidenden Ausmaße gelingt, waren an diesem Punkt einfach zu groß. Irgendwann geht es nicht mehr anders und so sehr die Mannschaft noch gegen Bielefeld oder in Berlin für das Kollektiv, das im Mai aufstieg, gefightet hat, so augenscheinlich war der Schlußstrich, den sie am Sonntag zog. Die Truppe braucht und will eine neue Atmosphäre und neue Ansätze. Und unter diesen Bedingungen halte ich die Mannschaft auch für fähig, den Abstieg zu vermeiden, gerade weil sie es in der letzten Saison geschafft hat, weiterzukämpfen, als die meisten Fans schon längst aufgegeben hatten.
Deshalb gebt bitte nicht auf! Wir können das schaffen - und das werden wir!