Die Frage ist natürlich, was er damit meinte, als er sagte, dass der Trainer sie gut vorbereitet hat.
Wie schon im "Alles vor dem Spiel bei Aue"-Thread erwähnt habe, hat die Spielweise von Aue einige ausgeprägte Charakteristika:
- viel Ballzirkulation hinten
- beste Kontermannschaft der Liga
- die wenigsten Tore aus dem Spiel heraus
- starke rechte Seite
Gruev und sein Trainer-/Analyseteam haben sich darauf in vielerlei Hinsicht eingestellt:
Auffällig war mit Beginn sicherlich die seitenverkehrte Aufstellung von Stoppel und Souza. Eigentlich spielen sie ja mit dem starken Fuß nach innen, also invers. Dieses Mal hatten sie ihren starken Fuß außen. Ich vermute, der Grund war das kompakte Zentrum von Aue. Drei Innenverteidiger und zwei Sechser. Gruev hat da wohl nicht viel Raum für inverse Läufe gesehen. Im Gegenteil wollte man anscheinend in die Schnittstelle zwischen Dreierkette und den Außen von Aue kommen. Der Elfer zum 1:0 ist so entstanden.
Zudem standen wir in unserem 4-4-2 gegen den Ball stark asymmetrisch. Stoppel spielte eingerückt. Souza breit und tiefer. Wiegel höher als Wolze. Schnelli nicht auf der Doppel-Sechs, sondern neben Stoppel. Was war der Hintergrund? Man wollte die Sahneseite von Aue verschließen und ließ die andere Seite einfach offen

Dafür nutze man klare Mannorientierungen, die sich an Aues 3-4-3 anlehnten. Unsere zwei Stürmer beschäftigten die drei Innverteidiger an. Schnelli und Stoppel (als nomineller Außen) nahmen die Sechser von Aue. Wiegel nahm Aues Linksaußen, Souza Aues Rechtsaußen. Hinten verteidigte man zeitweise im 1:1. Fröde spielte davor so eine Art Libero vor der Abwehr und stopfte die Löcher.
Damit kam das Ballbesitzspiel von Aue fast vollständig zum Erliegen. Die starke rechte Seite war dicht. Über links war Aue zu offensivschwach und konnte den offenen Raum vor Wiegel selten nutzen. Die Sechser von Aue kamen nicht in Spiel, konnten sich praktisch nie aufdrehen. Drews wechselte schon nach 30 Minuten. Riese kam für Wydra. Den einzigen Unterschied, den ich ausmachen konnte, war deren starker Fuß. Wydra ist Rechtsfuss, Riese Linksfuss. Vielleicht wollte Drews die rechte Seite damit beleben (aus dem Zentrum spielt man als Linksfuss anatomisch bedingt nach rechts). Seine Aussagen nach dem Spiel bezogen sich aber auf defensive Argumente, weil er angab, sich mehr Zugriff von Riese zu versprechen. Nun ja. Gemerkt hat selbst auf Aues Seite kaum einer einen Unterschied.
Vor allem in Hz1 eine pomadige Vorstellung, die Spielweise erinnerte an eine überlegene 5-0 Führung mit wenigen Sekunden vor Abpfiff. Von Abstiegskampf, Einsatzwille und Bissigkeit keine Spur. Ist die Versagensangst mittlerweile so groß, das es den Kopf blockiert?
Nein. Das hatte taktische Gründe. Da das mit Aues Ballbesitzspiel nicht klappte, sondern der MSV mit seinem, situativ sehr hohem und aggressiven, Pressing (Andreas erwähnte es) sogar auf frühe Balleroberungen lauerte, gaben sie dem MSV einfach den Ball und verlegten sich darauf, kompakt zu stehen und auf Konter zu lauern. Gruev erwähnte nach dem Spiel, dass ihm persönlich auch etwas zu viel Ballgeschiebe des MSV war. Der MSV hatte nämlich auch so seine Probleme. Ursächlich dafür war wieder das 3-4-3 von Aue. Gruev möchte im Aufbau immer eine Überzahl in erster Linie. Dafür kippt gegen zwei Stürmer normalerweise Fröde raus und bildet eine Dreierreihe. Gegen drei Stürmer wäre das aber Gleichzahl. Also blieben Wiegel und Wolze tiefer als sonst und bildeten so eine 4 zu 3-Überzahl. Nicht nur für den Aufbau, sondern auch, um besser abgesichert zu stehen und sich nicht auskontern zu lassen. Durch die tiefe Stellung der Außenverteidiger bekamen wir bei Pässen auf Außen nur ganz schwer Diagonalität und Dynamik ins Spiel. Die Pässe waren vom Winkel zwangsläufig zu flach. Da Aue ja nicht drauf ging, sondern aus der Tiefe lauerte, konnten sie dann nach einem Pass auf Außen schnell auf den Flügel durchschieben und dort unsere Angriffe ersticken.
Ergo blieb dem MSV nur der Versuch durch die Mitte zu kommen. Und hier wurden die Bälle von Fröde und Schnelli oft mit dem Rücken zum gegnerischen Tor klatschen gelassen, weil Aue nah an den Mänern war und man auf keinen Fall einen Ballverlust riskieren wollte (zur Erinnerung: konterstärkste Mannschaft der Liga) und stattdessen geduldig auf die Lücke wartete. Schnellis Abkippen und "Ballabholen" in Halbzeit 1 war mir dabei oft zu überambitioniert. Er konnte dann zwar aufdrehen, stand aber oft in Frödes oder Naubers Raum und es fehlte ein weitere Anspielstation in der Offensive. In Halbzeit 2 spielte Schnelli im Spielaufbau deswegen eine Spur höher. Das machte gerade deswegen Sinn, weil er mit seinem Körperfinten, seinem kreativen ersten Kontakt und seiner guten Wahrnehmung bestens dafür geeignet ist, in engen Räumen die Bälle zu behaupten, zu verteilen und Lücken durch seine Dribblings zu reißen.
Folglich enstand die "Pomadigkeit" einfach daraus, dass Aue nicht das Spiel machen wollte und auch nicht pressen oder sich rauslocken lassen wollte. Sie standen in einem dichten und kompakten 3-4-3-Block und warteten ab. Der MSV wiederum wollte sich nicht auskontern lassen und stand deswegen mit vier Spielern (plus Flekken) als Absicherung dahinter. Also hatte Aue vor dem Tor eine 11 zu 6-Überzahl. Bei solch klaren Unterzahlverhältnissen in so engen Räumen ist es schwer, spielerisch durchzukommen oder gar Dynamik aufzunehmen. Mit Willen und Einsatzbereitschaft hat das nichts zu tun. Gerade weil man wusste, dass Aue auf Konter lauern würde, spielte man auch selten riskant und viele Sicherheitsbälle. Man nahm damit dem Gegner die Spielidee.
Alles andere ist dann Geschichte. Nachdem man Aues Spielansatz (Konter und tiefe Zirkulation) den Zahn gezogen hat, erzielte man drei Tore durch Standards. Das erste hatte seinen Ursprung in taktischen Anpassungen, das zweite sah einstudiert aus und das dritte war dem "alles-nach-vorne-werfen" von Aue geschuldet. Interessant noch ein weiterer Aspekt. Bei Ecken gegen uns wurde anscheinend eine Mischung aus Raum- und Manndeckung statt einer reinen Raumdeckung gespielt.
In Summe gibt es also unzählige Details, die darauf hindeuten, dass unser Trainerteam noch nicht am Ende, unflexibel, ratlos oder festgefahren ist. Im Gegenteil wurden sich viele Gedanken gemacht hat, wie man das Spiel in Aue erfolgreich gestalten kann.
Verschweigen möchte ich trotzdem nicht, dass die starken Mannorientierungen, das teilweise hohe Anlaufen und das Offenlassen der linken Auer Seite durchaus Gefahren mit sich brachte. Eigentlich ging jeder gefährliche Ansatz der Auer (es waren so vier bis fünf) darauf zurück, dass sie unsere Mannorientierungen, die dadurch bedingte schwache mannschaftliche Kompaktheit und die prinzipiell nicht mögliche gegenseitige Absicherung nutzten, um Räume zu öffnen und diese mit Tempo zu bespielen. Das hätte auch ins Auge gehen können. Und dann hätte man die ganzen taktischen Anpassungen gegen Gruev und für eine Trainerentlassung verwenden können...