Hab zwar wegen Magenproblemen nicht viel von der selbstbezüglichen Bierhoff-Rechtfertigungs-Orgie mitbekommen, aber was ich gesehen habe, sprach stark für Kahn und Welke. Übel wird einem immer, wenn reiche Leute erst mal drei Monate prüfen müssen, ob sie noch die innere Kraft haben, um weiterhin fünf Mios im Jahr risikofrei wegen Jobgarantie einzustreichen. Wenn sich Löw wirklich lange innerlich prüfte, sollte er das doch den Leuten bitte verschweigen, denn die allermeisten von uns gewöhnlichen Sterblichen müssen einfach arbeiten, und die Motivationsfrage kommt erst beim Feierabendbier auf, und führt höchstens zu theoretischen Debatten.
Wie sehr da einer wie Bierhoff nicht mehr merkt, wie deplatziert das rüberkommen muss, was er sagt, ist für mich schon das wichtigste Indiz dafür, was grundfalsch läuft. Was mich megamässig störte ist, dass es nur um Motivationalität und Einstellung ging, keine Sekunde darum, ob die taktischen Voraussetzungen des Löw-Systems noch zeitgemäss sind, und ob er die richtigen Spieler mit den richtigen Abständen an die richtigen Stellen gestellt hat. Meine Theorie dazu: die einzige überzeugende Phase im ganzen Turnier war der Rückkampf gegen Schweden, seinerzeit merkten die Spieler, dass die Schlinge sich gerade zuzieht, und gaben die ganzen taktischen Vorgaben auf, spielten einfach nur noch Fussball, wie ihnen sozusagen "der Schnabel gewachsen" ist, und auf einmal lief alles mal astrein.
@owlzebra Natürlich merkt jeder und jede, was dort abgeht. Meinst du, alle ausser dir sind zu doof, um sowas zu kapieren? Die Leute akzeptieren diesen Marketingoverkill in der schlichten Hoffnung, dass die reinfliessende Kohle eine Qualitätsverbesserung bewirkt, die dann vielleicht den TItel bringt, oder zumindest erst ein Ausscheiden auf sehr hohem Niveau. Wenn das nicht der Fall ist, ist die umgekehrte Fragestellung angesagt, nämlich inwieweit die Werbung zum reinen Selbstzweck verkommen ist, inwieweit die Werbestrategen mittlerweile eventuell sogar Mannschaftsaufstellung und Aussendarstellung mit beeinflussen. Oder ob jemand wie Bierhoff überhaupt noch tragbar ist, wenn er dem deutschen Fernsehpublikum einen Bundestrainer als joggenden Beachboy verkauft, und die Truppe hinterher so lethargisch wirkt, als hätten sie einen Tag vorher an einer Poolparty bei Brian Wilson teilgenommen. Das läuft für mich ganz einfach unter glatte Sechs im Hinblick auf die in Businesskreisen ja mittlerweile unverzichtbare Corporate Identity.
Stell dir mal vor, ein Computerhersteller würde ein Tablet rausbringen, bei dem einfach gar nichts funktioniert, und dann sagt der Manager auf einer Aktionärsversammlung, der leitende Ingenieur macht gerade eine Denkpause, weil er noch nicht weiss, ob er noch den richtigen Biss verspürt, um nach der Komplettpleite das neue Modell mit zu entwickeln. Wobei der Computerhersteller natürlich dem Entwicklungschef bereits eine Jobgarantie gegeben hat. Also nee, Alter, mit Kriterien aus der freien Wirtschaft hat das echt nix zu tun, das ist Beamtenmentalität.