Spanien war einfach satt und saturiert. Ich zeige da als Deutscher keineswegs mit dem Finger drauf: Startplatzgarantie für bestimmte Akteure und langfristige Anbindung an einen Trainer, der irgendwie schon zum gesunden Volksempfinden dazugehört - für mich sind wir vom ganzen Habitus her den Spaniern näher als den Holländern. Bei van Gaal kann sich keiner sicher sein, dass er spielt. Der verkniffene Huntelaar auf der Bank wird sich auch gefragt haben, wieso er wegen der ganzen U-Irgendwas-Jungens trotz ansehnlichem Comeback im eigenen Verein weder in den Startelf, noch wenigstens als Einwechslung mit dabei sein durfte.
Sowas ist van Gaal egal - und zwar mit recht. Er lässt Robben stürmen, anstatt auf angestammte Vorrechte zu setzen. Dass für ihn selbst nach der WM Schluss sei, ist schon lange ausgemacht. Hat ihm aber anscheinend keinen Fitzel an Autorität und Durchsetzungskraft im Bezug auf die Mannschaft genommen. Im Gegenteil: die Profis werden ihn vielleicht bewundern, für die ist das ein Deal, der geradeaus läuft, mit einem festgesetzten Ziel statt der Festsetzung überständiger Autoritäten per Dekret. Und auch die Philosophie, sich mitten auf der Copacabana ein Hotel zu nehmen, hat einen Charme, den die Deutschen Superigel gerade im Moment so gar nicht verbreiten, wo immer noch die Pinkelaffäre um Grosskreutz die Agenda bestimmt.
Überhaupt wechselt es gerade ein bisschen: eigentlich sympathisch, und bitter notwendig, dass man medial die Art, wie in Brasilien die WM ins Land geholt wurde, und die daraus resultierenden Proteste kritsch begleitet. Nur wird momentan zunehmend mit einer unangemessenen neokolonialistischen Attitüde auf das Schwellenland Brasilien heruntergeschaut, die uns nicht zusteht. Es gibt auch hier Arme, und etwa im Zuge "unseres" Sommermärchens 2006 gab es Stadionbau mit Folgekosten, die sich bis heute gewaschen haben, für marode Städte, sowie eine Menge unerfüllte Prophezeihungen und Versprechen, mit deren Hilfe sich tausende Hellmichels ihre Taschen schwer abgefüllt haben.
Was man da mal im Hinblick auf die Nationalmannschaft der Brasilianer erwähnen sollte, auch wenn die im Allgemeinen gerade eher als Cheater im Gespräch sind: immerhin haben sie sich mit den Protestbewegungen in ihrem Land solidarisiert. Fast undenkbar bei unseren Jungens, dass sie sowas auf die Beine stellen würden.
Gestern hab ich mir das Spiel Chile - Australien auch noch reingezogen, und es hat sich wirklich gelohnt. Die Australier muss man einfach mögen: geradlinig, athletisch, kampfbetont, aber nie unfair, wie man das bei technisch weniger beschlagenen Mitkonkurrenten sonst leider häufig beobachten muss. Chile war mir ein bisschen zu kompliziert in der Spielanlage, aber die haben wenigstens richtig Lust. Von daher wär es vom Fussballerischen eindeutig ein Gewinn, wenn sie weiterkommen würden, statt diesen Spaniern. Obwohl: abschreiben kann man Spanien bestimmt noch nicht. War schliesslich nur ein Spiel.