Im Moment geht es vielleicht nicht so sehr darum, welche Regeln der Fussball haben sollte oder nicht, sondern inwieweit man ihn an sich teilweise dramatisch verändernde Sehgewohnheiten anpassen darf, ohne substantiell etwas zu zerstören. Hier nervt vor allem die Angstmache vieler Manager im Bezug auf die englische Liga, aber auch die Leichtfertigkeit, mit der jeglicher Erfolgstrend in Richtung Beschleunigung und Deregulation gewachsener Strukturen (siehe Leipzig) gehypt wird, als wäre das nun die endgültige Entdeckung des Ei des Kolumbus. Mir kommt es so vor, als sähen hier viele Journalisten in Dingen wie der 50 + 1 Regel nur noch Bedenkenträgerei seitens ein paar greiser Funktionäre und seltsamer Fanschaften, die ihre Männlichkeitsrituale öffentlich ausagieren wollen. Was vielleicht ja kein Wunder ist, angesichts der grosstuerischen Bräsigkeit, die speziell der DFB oft genug an den Tag legt. Allerdings sollte man vielleicht mal mehr darüber nachdenken, wie das mit anderen Blasen so gelaufen ist, ob Immobilien, ob Banken - stets gab es progressive Bewegungen, die den Mahnern und Warnern vorhielten, sie wären leider von vorgestern, würden nur ihre behäbigen Rituale weiter pflegen wollen, wären zu eindimensional, um alle Vorteile sehen zu können, die mit den neuen Methoden zusammenhängen.
Ich finde, wenn ich mir mal ein Spiel der englischen Liga ansehe, oder den Vergleich speziell englischer mit deutschen Mannschaften heranziehe, nicht, dass die dortige immer weiterführende monetäre Expansion bis dato was für den Sport insgesamt gebracht hat. Man hat eher das Gefühl, die Verschleudern ihre Kohle, stossen die alten, echten Fans vor den Kopf, bringen unausgewogene Mannschaften hervor, die vielleicht ein paar genialische Spielzüge hinbekommen, im Bezug auf Zusammenhalt, Zähigkeit und Selbstdisziplin aber keinen Vergleich zu früheren Zeiten auf der Insel mehr aushalten. Würde mich extrem wundern, wäre dies nicht auch Folge der einfachen Tatsache, dass namentlich die Premier League einen Grossteil ihrer Einnahmen mittlerweile in Fernost generiert - wobei es hierbei vorwiegend um Häppchenkultur, das Hypen bestimmter kultiger Spielertypen, und nicht zuletzt exzessive Zockerei gehen dürfte - also um nichts mehr, was irgendwie mit dem zu tun hat, was den klassischen Fussball gross und mächtig gemacht hat. Da ist es eine Wohltat, wenn selbst eine seltsame Erscheinung wie Matthias Sammer im deutschen Fernsehen mal wieder von Werten redet, die Leistungssport den Menschen nahebringen soll - was bisher immer ein fester Bestandteil davon gewesen ist, und vielleicht auch die enormen Summen rechtfertigen konnte, die damit verdient werden.
Diese Werte bleiben seltsamer Weise nicht einmal beim American Football aussen vor - wo Gewinnmargen eingepreist werden, von denen auch hier die ganz dicken Fische im Teich nur träumen können. Ausgerechnet die immer als Super-Kommerziell abgestempelten Amis (was sie sicherlich auch irgendwie sind!) lassen es sich nicht nehmen, etwa den Superbowl als grosse Show im Bezug auf amerikanische Werte zu inszenieren. Da wird extrem breit in die Kerbe gehauen - das sicher! Aber die würden niemals zulassen, dass sich bei dieser Veranstaltung irgend etwas nach den Wünschen einer Unzahl von Zuschauern aus dem asiatischen Raum richtet, und deshalb die Ami-Gucker selbst zurückstecken müssen. Klar, gibt es Kompromisse, was das Verbreiten von Werbung betriftt. Trotzdem: das ist American Way of Live pur, von der ersten Sekunde an, und auch die politisch eher linke Pausenqueen Lady Gaga gehört dazu - amerikanische Kids und emanzipierte Frauen lieben sie eben beide, und deshalb hat es dort seinen Platz.
Deswegen - bitte genug davon, mit Katar zu flirten, die zum Nabel des Fussballs machen zu wollen - genug davon, Anstosszeiten immer weiter aufzufächern, damit in irgendwelchen Wettbüros auf der anderen Seite der Erdkugel rund um die Uhr Hochbetrieb herrschen kann - etc.etc.
Man sollte auch wieder mal darüber reden, ob wir noch genug Protagonisten aus deutschen Landen in der absoluten Spitze zu sehen bekommen - was nicht gegen einen Aubameyang oder Lewandowski, einen Thiago oder Dembele sprechen muss - und erst recht nicht nach sich ziehen sollte, dass solchen Leuten Sprachkurse auferlegt werden, damit sie ab und zu auf Deutsch ein unverstehbares Interviewkauderwelsch zum Besten geben können. Aber es muss doch wieder um Fussball als Ausdrucksform für eine bestimmte Lebensart gehen können, um Fussball als einen Sport, der jungen Leuten ein einmaliges Gemeinschaftsgefühl, Identifikation und Selbstvertrauen vermittelt. Das ist nunmal komplizierter mit der Vermittlung, wenn der Spieler aus Ghana stammt, und seine Freizeit am liebsten shoppend in Paris und London verbringt!
Ich kann nicht verstehen, wie man finden kann, dass dies alles am Besten bei den rein professionellen Gewinnmaximierungsmaschinen aufgehoben sein soll, die viele Profimannschaften heutzutage darstellen. Ich finde, hinter denen muss immer noch der breit aufgestellte Amateurbereich als die Seele des Ganzen sein - der das Mass aller Dinge ist, nicht umgekehrt. Auch wenn das altmodisch, vielleicht sogar langweilig klingt. Deshalb bin ich unbedingt für 50 + 1 - und wäre für viel mehr Funktionäre, die noch richtig mutig dahinterstehen!