Also, mein erstes MSV-Spiel?
Es ist der 28.2. 1964, ein Samstag, in Meiderich. Meine Mutter hat Geburtstag, und das ist ihr erster in ihrer neuen Familie, die ihr gleich drei Kinder im Alter von drei, neun und zwölf Jahren (meine Wenigkeit) beschert hat. Ihre Eltern und Geschwister aus Essen kommen zu Besuch. Aber dieser Geburtstag läuft nicht so ab, wie man sich das vorstellt: Kaffee, Kuchen, artige Gespräche mit den noch recht neuen Großeltern, Onkeln und Tanten. Stattdessen sagt mein Vater: "Zieh Dich an, wir fahren zum Fußball!" - Samstags? Wir gehen doch sonst sonntags an die Honigstraße, zu 06? Aber mein jüngerer Onkel und mein Vater fahren mich doch tatsächlich in den tiefen, mir als Ur-Meidericher noch völlig unbekannten Duisburger Süden, zum Wedaustadion. Großes Gedränge! Gibt es noch Karten? Besonders für mich ist das ein Problem, aber schließlich kann ich mir mit einem anderen "Kind" eine Karte teilen - eine Karte für zwei, kann man sich das heute noch vorstellen?
Nun sind wir also drin - wohin? Es ist brechend voll, schließlich finden wir drei einen Platz oben auf der Ostgeraden, gleich hinter der damaligen Pressetribüne. Schlechter Platz - ich stehe hinter einer Säule. Lösung: "Kletter mal über das Gitter, stell Dich auf die Pressetribüne!" - Endlich freie Sicht. Den von einem freundlichen Pressemann angebotenen Stuhl anzunehmen, bin ich zu schüchtern. (Sitzen ist für'n ...?


)
Ach ja - wer spielt denn eigentlich? Meinen Essener Onkel halte ich für einen RWE-Fan, meinen Meidericher Vater sehe ich selbstverständlich auf der Seite des MSV. Weit gefehlt. Sie sind wegen des Gastes gekommen. Der hat die gleichen Vereinsfarben, aber ohne Streifen ... vor dem Spiel stehen die einen Punkt hinter dem MSV.
Ich muss mich erst mal an die Atmosphäre gewöhnen. So viele Leute - und was für ein Lärm! Der ist aber noch steigerungsfähig: in der 8. Minute geht Eia Krämer mit einem Steilpass durch und lupft den Ball aus ca. 25 Metern (ohne Gewähr

) über den herausstürzenden Mühlmann in die Maschen! Was für ein tolles Tor, mein erstes! Im nächsten Moment hebt es mich einen gefühlten halben Meter vom Boden - Schallwellen!
Zehn Minuten später: die Nummer 7 - Helmut Rahn - das 2:0! Und in der 57. trifft noch Heinz Versteeg zum Endstand, 3:0. Der Gegner kriegt keine Schnitte! Und das mit Nationalspielern wie Nowak, Willi Schulz, Libuda und Herrmann, dazu noch dem als brandgefährlich gefürchteten Torjäger Matischak, der im nächsten Jahr mit Werder Bremen Deutscher Meister werden wird. Dann noch "Waldi" Gerhardt, der Eisenfuß Egon Horst, der Routinier Karnhof, der 1958 schon die letzte(!!!) Meisterschaft des Gastvereins feiern durfte. Die sehen alle ganz alt aus gegen die Zebras.
Was ich während des Spiels und danach empfinde, wird man Jahrzehnte später als "Euphorie" bezeichnen. Meine erwachsenen Begleiter geben diese Emotion in ihrer Mimik nicht zu erkennen ...
So hat das mal angefangen. Und wie soll das enden? Ach, ein 1:0 im nächsten Spiel gegen den damaligen Gast würde mir schon reichen!

Aber das wird ja nicht das Ende sein!
Für Interessierte hier noch die Statistik (die Älteren werden sich erinnern

):
Meidericher Spielverein:
Manglitz - Heidemann, Sabath - Nolden, Preuß, Manfred Müller - Rahn, Krämer, Versteeg, Lotz, Kubek.
Und der chancenlose Gast:
Mühlmann - Becher, Nowak - Schulz, Horst, Karnhof - Libuda, Herrmann, Matischak, Bechmann, Gerhardt.
Tore: 1:0 Krämer (8.), 2:0 Rahn (18.), 3:0 Versteeg (57.)
Schiedsrichter: Zimmermann (Wolfsburg

)
Zuschauer: 42.000 (oder mehr

)