Und das ist nur eine kleine Auswahl, nach einer auf die Jahre beschränkten Google Suche.
Natürlich wurde darüber gesprochen und berichtet.
Schließe nicht von dir auf andere, viele hat das damals schon angekotzt, ganz besonders die Russland-WM.
Nee, sorry. Da gehe ich nicht mit. Wer googelt, der wird wahrscheinlich über alle vergangenen WMs der letzten Jahrzehnte
einzelne kritische Berichte finden.
Das ist aber nicht die Frage. Die Frage ist eher, ob
gesamtgesellschaftlich und
gesamtmedial über die WM in Russland so kritisch berichtet wurde wie über die WM in Katar. Dagegen spricht auch ganz klar, dass die TV-Einschaltquoten bei der Russland-WM deutlich höher waren. Und dagegen spricht ganz klar, dass damals hier im MSV-Portal nicht Mal ansatzweise so breit und so kritisch debattiert wurde wie aktuell.
Was war denn am Austragungsort Russland so viel besser als an Katar, um diese eklatatanten Unterschiede
sachlich zu rechtfertigen? Sportswashing betreiben viele, die heute internationale Sportgroßveranstaltungen ausrichten, das ist kein Priivileg von Katar. Für Russland spricht ohne Zweifel die größere Fussballkultur und -tradition und die stärkere Gleichberechtigung von Frauen. Die Zahl der bei WM-Baustellen umgekommenen Bauarbeiter ist dort vermutlich auch niedriger, auch wenn keiner genaue Zahlen kennt. Zu berücksichtigen ist, dass die in der Öffentlichkeit kursierenden Zahlen von bis zu 13.000 auch nach Ansicht anerkannter Organisationen wie Transparency international und Anderer höchstwahrscheinlich meilenweit von der Realität sind. Das Argument, es sei keine Winter-WM, und wir könnten hier kein Public Viewing durchführen, ist Ausdruck eines Eurozentrismus und damit kein berechtigtes Sachargument.
Die angebliche und tatsächliche Unterstützung Katars für die Taliban oder Hamas als Argument? Kann man bringen, ist aber letztlich nichts als Heuchelei. In Wirklichkeit sind die USA sehr froh, über Katar einen Gesprächskanal zu den Taliban zu haben. Israel ist froh, dass Katar den Gazastreifen mit Geldmitteln einigermaßen sozial stabilisiert. Und Deutschland ist froh, mit Hilfe von Katar viele Menschen aus Afghanistan ausgeflogen zu haben.
Auf der anderen Seite gibt es etwas, dass im Vergleich eindeutig für Katar spricht. Katar hat keinen Nachbarn angegriffen und Teile seines Staatsagebietes annektiert. Und nein, Russland hat das nicht erst im Februar 2022 gemacht, sondern bereits im Jahre 2014. Und damit 4 (!) Jahre vor der WM. Wie viele der die Katar-WM boykottierenden Menschen haben die Russland-WM deshalb boykottiert? Es waren höchstens Einzelne, eine nicht ins Gewicht fallende Zahl.
Wo bleibt da die Verhältnismäßigkeit? Maß und Mitte sind in der öffentlichen Debatte über die Katar-WM vollkommen verloren gegangen. Manches, was aktuell gegen Katar angebracht wird, ist nicht sachlich gerechtfertigt, sondern offensichtlich persönlich motiviert. Kritsche Berichterstattung über Katar und noch mehr über die FIFA sind dringend notwendig. Wenn Maß und Mitte aber nicht etwas, sondern ganz gewaltig verschoben werden, dann gehe ich nicht mehr mit. Und so kommt es, dass ich inzwischen mehr WM-Spiele geschaut habe, als ich selbst noch vor 2 Wochen vorhatte. Diese eklatatanten Unverhältnismäßigkeiten führen in gewisser Weise zu einer Trotzreaktion.
Viele Menschen in vielen anderen Regionen und Kontinenten der Welt sehen das ähnlich. Deswegen wird dort die WM in Katar auch kritisch betrachtet, aber weniger unverhältnismäßig als hier. Deutschland und auch Europa sind nicht der Nabel der Welt, auch wenn man den Eindruck haben muss, für Viele hier sei es so.
Noch ein letztes zu einem weiterem sehr kritischen betrachteten Punkt in Katar: Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit. Klar kann man kritisieren, dass die Stadien energieintensiv heruntergekühlt werden. Und dass Fans 500 km von den VAE einfliegen müssen, weil in Katar selbst nicht genug Hotelkapazitäten vorhanden sind. Und selbstverständlich werden all diejenigen, die ihren Boykott auch damit begründen, auch die WM 2026 boykottieren, wenn Spieler und vor allem Massen von Zuschauern Tausende km zwischen den Austragungsorten in Kanada, USA und Mexiko hin- und herfliegen. Aber selbstverständlich wird das passieren. Und man wird sich daher auch nicht den Vorwurf von Heuchelei und Unverhältnismäßigkeit einhandeln.
In Wirklichkeit müsste aus rein ökologischer Sicht eine WM der extrem kurzen Wege wie in Katar vermutlich der Traum aller Fiday for Future Bewegten sein.