Was die ganz allgemeine Diskussion um Einwanderung und Volksentscheide verbindet, ist die aus meiner Sicht nicht besonders glückliche Reduzierung auf die beiden Antwortmöglichkeiten "ja", "nein", "schwarz" oder "weiss". Die Fragen rund um Einwanderung unter Berücksichtigung rechtlicher Gegebenheiten, ethisch-moralischer Ansprüche und den Zuständen und Verhältnissen in der Praxis des Alltags, sind aber doch viel zu komplex, um derart zweidimensional diskutiert oder gar entschieden zu werden. Weder pauschale "EU-Gläubigkeit", noch pauschale "Gesamtverweigerung" werden der Sache gerecht und werden auch nicht zum befriedigenden praktikablen Ziel führen.
Natürlich haben "beide Seiten" in Teilen recht. Die Bandbreite zwischen "Herzlich Willkommen" und "Hau ab" ist allerdings sehr vielfältig und stimme ich persönlich beispielsweise gerade eben einer einwanderungsskeptischen Stimme zu, heißt das noch lange nicht, daß ich im nächsten Augenblick nicht einer anderen Stimme aus dem optimistischen Lager beipflichte.
Mein persönlicher Knackpunkt ist aber immer, daß ich für mich zwischen der akademischen Diskussion mit dem Jonglieren von anonymen Fakten und Zahlen und den auf den Straßen persönlich erfahrbaren und teilweise auch erfahrenen Gegebenheiten trennen muß. Das gelingt natürlich nicht immer und insbesondere die Erkenntnis, daß ich persönlich natürlich nur Einzelfälle registrieren und für mich bewerten kann. Der Versuchung gewisse Einzelfälle auf die Gesamtbetrachtung zu projezieren, bin auch ich schon erlegen.
Für die Politik ist es allerdings sehr ratsam und auch unerläßlich auch diese ganz persönlichen Empfindungen, Erfahrungen und letztlich auch Ängste miteinzubeziehen, zumal dann, wenn sich ganz spezielle wirkliche Fehlentwicklungen im ganz konkreten Alltag, beispielsweise in Appellen aus den Reihen des Städtetags, bündeln. Solche, wenn man so will, Diskussionsbeiträge einfach mit lapidaren Hinweisen auf die Wertegemeinschaft, Grund- und Menschenrechte oder dem Bedarf an Fachkräften abbügeln zu wollen, ist aus meiner Sicht schlicht selbstzerstörerisch und wird im Extremfall, bei Anwendung dieser Mittel in weiteren existenziellen Sachfragen, letztlich die Demokratie als solche kosten.
Ich persönlich erwarte jedenfalls, daß man einerseits die Rechte, Bedürfnisse und Probleme der Einwanderer berücksichtigt, andererseits aber auch die Rechte, Bedürfnisse und Probleme der Einheimischen und daß die Probleme, die in der Schnittmenge entstehen erstens nicht (dumm)dreist geleugnet oder verharmlost und andererseits auch nicht apokalyptisch überhöht werden. Eine unvoreigenommene, ergebnisoffene und differenzierungsfähige Verwaltung und Gesellschaft ist dazu in der Lage, diese Fragen zu beantworten. Es scheitert derzeit aber an den 3 Adjektiven und die Sachfrage ist längst zu einer Schlammschlacht der Ideologien (und wie immer wirtschaftlichen Interessen) geworden.
Die EU als solche ist als Institution mehr und mehr "verbrannt". Neben den fragwürdigen Reaktionen im Bezug auf ein Abstimmungsergebnis eines demokratischen Staates, der nicht dieser EU angehört, folgte nun, in denkbar kurzem Abstand, die Entscheidung der Kommission, ein landwirtschaftliches Kunstprodukt zuzulassen, obwohl europaweit massiver Widerstand dagegen besteht, sogar Widerstand aus den Reihen der potentiellen Erzeuger. Die EU steht nun wohl auch für den letzten noch einigermaßen Vertrauenden nicht mehr so sehr für beispielsweise "Frieden" oder "Wohlstand", sondern schlicht für "Lobbyismus", "Wirtschaftshörigkeit" und "Volle Taschen".
Leider wird die kommende Europawahl nichts anderes als eine Protestwahl werden, wobei schon allein die Wahlbeteiligung einen geharnischten Protest darstellen wird. Ganz offen gestanden, neige auch ich dazu, dieser Wahl, die lediglich dazu dient, eine im Grunde demokratischen Ansprüchen nicht genügende Institution zu legitimieren.
Wie immer, nur meine ganz persönliche Ansicht.