Sag mir warum, my love....
Was, in aller herrgottsnamen, haben die eigentlich vor?
Letzte Woche noch mit Herz und Leidenschaft unterwegs die Anstrengungen des Klassenrehaltes auf sich zu nehmen, schafft es der MSV den hervorragenden Eindruck der letzten Woche nahezu zu pulverisieren. Was haben sich die beteiligten Protagonisten der hochgelobten Samstagnachmittag-Unterhaltung eigentlich gestern gedacht, und was würden sie mir, der ich, wie viele andere 700km durch die Republik gebrettert bin, eigentlich erklären, wenn man sie auf ihre gestrige Leistung ansprechen würde?
Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht und vor allem: Ich will es gar nicht hören, weil die Rechtfertigung von Fußballspielern meistens ins leicht Lächerliche abrückt, und man sich Auseinandersetzungen sparen kann.
Am gestrigen Tag hat generell nichts funktioniert, daß gegen einen Gegner, der unbestritten individuelle Klasse aufweist, aber auch, gerade gestern bewiesen hat, warum er überhaupt keine Berechtigung hat, vom internationalen Geschäft zu träumen. Der VFL Wolfsburg ist eine ziemlich katastrophale Geschichte und es sollte für jeden Abstiegskandidaten das Ziel sein, aus der Zombiestadt mindestens einen Punkt mitzunehmen. Woran hat es also gelegen, daß der MSV es gestern nicht hinbekommen hat? Was sind die Gründe?
Die Mannschaft
Torwart: Gestern ein mittelschweres Desaster. In Anlehung an die gezeigten Leistungen unseres Nationaltorhüters vom vergangenen Mittwoch, schickte sich Sven Beuckert an den neuen Rekord im An-einer-Flanke-vorbeisegeln von seinem Konkurrenten Tom Starke zu übernehmen. Beim Gegentor fröhlich an dem Ball vorbeigreifend, hat er noch nicht mal die Muße, sich im Interview für seinen Fauxpas zu entschuldigen und das Ding auf seine Kappe zu nehmen. Auch im Abstiegskampf zählt Größe, aber wir müssen uns damit abfinden: Der MSV hat ein Torwartproblem, welches sich zu diesem Zeitpunkt der Saison nicht mehr lösen lässt.
Innenverteidigung: Schlicke und Filipescu präsentieren sich als die größten Holzhacker der Liga. Keinerlei Bereitschaft auf das Spiel in konstruktiver Weise Einfluss zu nehmen, keinerlei Zusammenspiel mit den Vorderleuten. Pures, einseitiges Herumgeschlage der Bälle, dabei immer noch für einige desaströse Momente gut, schafften es die beiden gestern den, nicht gerade famos aufspielenden Wolfsburgern Chancen zu eröffnen. Lieblingsszene: Filipescu weist an, daß in der 86.Minute der Ball auf ihn abgelegt wird, damit er mit seinem nicht vorhandenen Gewaltschuss das Ding noch herumdrehen kann. Das ist nicht nur arrogant, es kostet auch Punkte. Hoffen wir also, daß der Argentinier fit wird, nicht wissend, welchen der zwei Knallchargen man dafür herausnehmen sollte.
Aussenverteidigung: Willi und der Franzose mit den vielen Vokalen im Namen, welcher mit V. beginnt, waren gestern, und es tut immer noch in der Seele weh, daß zu sagen, die besten Männer auf dem Platz. Tobias Willi, wie immer limitiert, versuchte konsequent seine Seite zu doppeln, während der Franzose durch gelungene Ballbehandlung, cleveren Körpereinsatz und schnelle Antizipation des Spielgeschehens auffiel. Ob die Besetzung der Positionen für den Klassenerhalt ausreicht, mag die Zukunft entscheiden, aber sollte Tobias Willi seine Form beibehalten, sollte die Außenverteidigung noch das Beste sein, was der MSV momentan aufzubieten hat.
Mittelfeld: Totalausfall. Weder Grlic, noch Tararache konnten dem Spiel entscheidende Impulse geben, und selbst, als das klar war, vermisste man die sonstige Spielintelligenz, die beide so auszeichnet. Tarararaches Pendel, welches immer nur zwischen Genie und Wahnsinn herumschwingt, war gestern eindeutig auf der Seite des Irrsinns eingeschlagen und verweilte dort über 90 Minuten. Bezeichnend am Spiel des MSV war, daß sie nahezu alle zweiten Bälle verloren, sowohl vorne als auch hinten und so zu keinem Zeitpunkt gefährlich werden, noch für Entlastung sorgen konnten. Georgiev war zwar bemüht, schaffte es aber auch nicht den MSV nach vorne zu treiben, eine Fähigkeit, die man dauerhaft bei ihm vermisst.
Sturm: Einzig und allein Niculescu gibt Anlass zur Hoffnung. Schnell auf der Suche nach dem Abschluss, geschickt am Ball und um keinen Schuß verlegen, macht er das, was allen anderen Stürmern des MSV abgeht: Ein Spiel schnell zu machen, den Zug zum Tor beizubehalten etc. Seine Nebenleute sehen dabei nur noch aus wie Statisten: Klemen Lavric präsentierte sich als die alte Stehlampe, während Ishiaku noch überhaupt nicht in Tritt kommt. Beide verschleppten die eh schon spärlichen Angriffsbemühungen des MSV, verlangsamten das Spiel und sorgten dafür, daß die Wolfsburger sich jederzeit wieder positionieren und somit die Duisburger in Harmlosigkeit ersticken lassen konnten. Sascha Mölders nahm am Spielgeschehen des MSV nicht teil, über 90 Minuten fiel mir nicht auf, welche Position er eigentlich spielt.
Zusammenfassend: Von 11 Spielern präsentiertn sich ganze 3 so, als seien sie befähigt den Klassenerhalt zu schaffen, während 8 andere Spieler unter ihren Möglichkeiten blieben.
Die Taktik
Unter der Woche schon in den Glauben verfallen, daß Rudi Bommer jetzt komplett den Verstand verloren hat, bestätigten die 90 Minuten alle vorher geäußerten Ängste. Der Extremtrainer Rudi Bommer ließ es sich nicht nehmen, nach einer kurzen, einen Spieltag langen Phase des 4-4-2 noch einen Tacken offensiver zu werden, und so etwas in der Art zwischen 4-4-2 und 4-3-3 spielen zu lassen. Das Spiel des MSV hätte weitaus geordneter sein müssen, um zu erkennen, was er denn nun tatsächlich vorhatte, so bleibt es nur bei Vermutungen. Letzten Ende hätte aber auch Rudi Bommer schon früh merken müssen, daß sein eh schon unterbesetztes Mittelfeld ein spieltechnisches Desaster darstellt, und zu keinem Zeitpunkt den Druck aus der Partie nehmen kann. Warum Sascha Mölders durchspielen durfte, bleibt mir ein Rätsel, aber dieser Satz ließe sich über viele andere auch sagen. So lässt sich annehmen, daß die Zeit der Experimente vielleicht jetzt auch für Rudi Bommer vorbei sein sollte, dafür hatte er in der Hinrunde genug, von ihm nicht genutzte Spieltage. Also bitte wieder klassisch, Herr Bommer, 4-4-2, und gab es diesen Satz nicht schon öfter: Mit klarer Aufgabenverteilung.
Fazit:
Bei allem Respekt vor der Tabellensituation machen die Neuzugänge Hoffnung, genauso wie auf der anderen Seite die Leistungen der etablierten Spieler diese weiterhin schwinden lassen. Es geht nur über Pensum, Einsatz, Willen und Spielintelligenz, und daß Rudi Bommer nicht schafft, seine Mannen konsequent , von Spiel zu Spiel auf den Abstiegskampf einzuschwören, spricht Bände über seine Autorität. Leider ist aber Fußball keine Mathematik (Phrasenschwein, Phrasenschwein) und wer weiß, ob unser hochgeschätzter Trainer nicht gar die richtigen Worte in der Kabine gefunden hat, welche dann nicht umgesetzt wurden. Festzuhalten bleibt, daß er gestern taktisch vollends danebengelegen hat. Daran muss er sich messen lassen.
Noch ein kleines Wort zu Wolfsburg: Wenn es sich irgendwie vermeiden lässt, fahrt da niemals hin. Von der Fan- bis zur Stadtkultur, von der Mannschafts- bis zur Vereinsstruktur ist dieser Club eines Bundesligisten absolut unwürdig. Ein halb besetztes Stadion voller Rentner, ein Stadionsprecher, der es nicht in den Recall geschafft hat, eine Mannschaft voller Unsympathen, ein Trainer, der kurz vor der Einweisung steht. Dieser Club hat irgendwas gespenstisches, man steht auf der Strasse und sieht nur Volkswagen um einen herum, sieht sich im Stadionrund um, und spürt zu keinem Zeitpunkt so etwas wie Bundesligaatmosphäre. Dass die Wolfsburger sich immer freuen, wenn Hannover ein Gegentor kassiert, interessiert wohl noch nichtmal den Nachbarn, zu unwichtig ist dieser Verein, als daß er noch länger auf der Landkarte der Liga auftauchen sollte.
Aber was soll ich hier über Wolfsburg meckern, sie haben den MSV geschlagen, die Punkte sind weg. Nach großer Ernüchterung bleibt also nur eines festzuhalten: Aus den nächsten drei Spielen 5-6 Punkte, zumindest in Bielefeld nicht verlieren, eigentlich gezwungen dort zu gewinnen. Willkommen in der entscheidenden Phase. Jetzt muss alles passen.
Gruß aus Essen
Micha