@Sebastian
Im Allgemeinen wünscht sich wohl jeder, der einen Verein mehr oder weniger tatkräftig unterstützt, auch dessen sportlichen Erfolg. Ich kann einfach nicht da hinfahren, mich die ganze Woche über drauf freuen, die einlaufen und vielleicht sogar gut spielen sehen, und dann aber hoffen, dass sie verlieren, damit Hellmich und ein paar andere sich ärgern. Wie soll das funktionieren? Hofft man, dass die richtig gut sind, damit man achtzig Minuten Spass haben kann, ist dann aber in der Schlussphase für den Gegner? Das macht einen doch wahnsinnig, wenn man versucht, es durchzuziehen!
Ich finde es auch kaum möglich, wegzubleiben. Wenn man das Spiel im Fernsehen guckt, unterstützt man, indem man die Einschaltquote anhebt, auch mittelbar Hellmich. Auch bei Verfolgung eines Livestreams, etc., man ist also draussen oder drinnen, dazwischen gibt es keine Optionen.
Für mich ist es aber leicht, das im Kopf zu trennen. Ich gehe da hin, und das konsequent, solange ich die Kohle habe und die Unkosten für das Event sozusagen "moralisch" vertretbar sind, weil ich die traditionsreichen Farben des Vereins, den ich zu meinem Verein gemacht habe, was auf Zufall basieren kann oder eine Folge ganz bestimmter persönlicher Gründe sein mag, kämpfen und siegen sehen will. Für mich zählt der ganze Kokolores drumherum zu den notwendigen Bedingungen, macht aber nicht die Essenz aus, die Emotion und die Bilder im Kopf, die losgehen, wenn es um das Kürzel MSV geht, ich die Namen Meidericher Spielverein, Zebras, etc. lese oder höre.
Für mich sind die Leute im Block wichtig, die Leute in meinem Umfeld, welche die Sorgen und Freuden im Bezug auf den Verein mit mir teilen. Für mich ist wichtig, dass Duisburg in meiner persönlichen Lebensgeschichte als Stadt und Umfeld eine wichtige Rolle gespielt hat, und der Verein immer da war, immer die Stadt Duisburg repräsentiert hat. Für mich ist daher Bernard Dietz wichtig, ein Spieler, der über zehn Jahre durch seine individuelle Extraklasse so gut wie allein dafür gesorgt hat, dass der Verein trotz seinerzeit schon gewaltiger Sorgen erstklassig geblieben ist. Für mich sind alle Spieler wichtig, bei denen sich erkennen lässt, dass sie sich reinhauen und in dem Moment alles andere um sich rum vergessen haben, weil sie unbedingt gewinnen wollen. Deshalb bin ich ebenfalls da im Stadion, und nicht wegen Hellmich. Nicht wegen der Typen, die bis zuletzt um ihre fetten Anschlussverträge zocken. Oder ihre "Investments" absichern, als gehe es um einen dämlichen Freizeitpark.
Wenn unsere ein wichtiges Tor schiessen und der gemeinsame Jubel losbricht, dann ist mir das völlig egal, was die Menschen sind, die sich um mich rum befinden, ob die Hellmich unterstützen oder Steuern hinterziehen, Alkoholiker sind oder aus der Psychiatrie ausgebrochene. Dieses Gemeinschaftsgefühl ist grösser als der einzelne Mensch und grösser als man selbst, und allemal grösser als ein Hellmich, Kentsch oder Görtz. Übrigens auch grösser als ein Rüttgers, Kassner, grösser als SIL, Sport Five, Sport eins, Jörg Dahlmann oder Jürgen Gjasula. Für mich ist das wie richtig gute Musik oder Philosophie, ein ritualisierter existenzialistischer Wettkampf der Unsrigen gegen die Anderen, mit vom Besten, was einem das Leben zu bieten hat. Kein Sekunde verschwende ich während einem Spiel auch nur einen Gedanken an die Stadiongesellschaft.
Am Ende, nach dem Spiel, nach der Saison, muss man seinen Kopf wieder benutzen. Dann sollte man sich sorgfältig damit auseinandersetzen, worum es in strukturellen Zusammenhängen geht, und da kommt man oft zu Ergebnissen, die sich im Vergleich zum "Stadionerlebnis" ziemlich bescheiden ausnehmen. Aber dem allen begegnet man nach meinem Dafürhalten am besten, wenn man zuvor bei einem richtig geilen Freitag, Samstag, Sonntag oder Montag an der Wedau die Batterie randvoll gemacht hat. Das ist mir viel zu wichtig, als dass ich es jetzt wegen einem Hellmich lasse. Ich kenne den Mann persönlich gar nicht, weiss, dass er wohl reich ist und irgendwo rumfährt, wo Reiche so rumfahren. Dass er, wie viele alte Männer, Briefe in Umlauf setzt, wo sich die Verwandten danach am Kopf anfassen und sich hilflos fühlen. Warum soll ich für den meine Kumpels auf den Rängen alleine lassen? Macht ihn nicht ärmer und mich nicht glücklicher, würde ich sagen!
Ich will, dass wir möglichst weit oben spielen, nicht, damit Hellmich und Kentsch, Rüttgers und Kassner glücklich sind, sondern, damit ich glücklich bin. Glücklich bin ich natürlich nur, wenn der MSV auch der MSV ist, und kein Plastiksurrogat, das sich die Zebrastreifen teuer eingekauft hat und sich damit wie eine ***** an die Strasse stellt. Kein Hellmich, kein Rüttgers, kein Kentsch, kein Kassner kann mir dazu was sagen. Ob diese Grundbedingung noch erfüllt ist, kann ich, so sehe ich das, letztendlich nicht einer Bilanz entnehmen, dafür muss ich dorthin fahren und in die Gesichter der anderen gucken, die auch gekommen sind. Die zeigen mir, ob es mein Verein ist.