Selten mit mehr gemischten Gefühlen zu einem Auftaktspiel gefahren. Schon die grandiose Kulisse war dann vielversprechend. Meine Fresse, den Schnitt und die Stimmung müssen wir halten. Können noch Zweitausend dazu kommen, dann wäre es wohl absolut perfekt. Und was die Logistik angeht: ne halbe Stunde eher kommen bewirkt da manchmal Wunder. Vor allem beim eigenen Stressniveau.
Man sah ziemlich schnell, dass diesmal nicht viel versprochen und wenig gehalten wurde, sondern dass es umgekehrt lief: vorher Sachlichkeit, dafür auf den Punkt die Leistung, die abrufbar ist, abgerufen. In diesem Sinne waren für mich insbesonders Dum und Zoundi eine Offenbarung, zumal im Testspiel gegen Homberg beide noch deutlich unverbunden mit dem grossen Ganzen gewirkt hatten. Zoundi erinnerte, auch in seiner ganz und gar bescheidenen Art in der Stellungnahme nach dem Spiel, in vielen Belangen an einen verjüngerten Baki. Wobei er von der Spielanlage her deutlich robuster ist und nach rückwärts ausgesprochen engagiert beteiligt war.
Wieviel Struktur Karsten Baumann in der Kürze der Zeit aufgebaut hat, das kann man nur ausgesprochen bewundern. Ganz klar stand die Defensivarbeit im Vordergrund, aber in dieser Hinsicht hat er grandiose und ganze Arbeit geleistet: die Defensive agiert absolut gut geschmiert, standfest und umsichtig. Die vielen Ecken sind für mich auch Resultat dessen, dass es mit dem Verschieben noch nicht klappt, aber auch noch nicht klappen kann. Aber Heidenheim gelang es eigentlich zu keinem Zeitpunkt, aus ihrer deutlichen Überlegenheit bei Standards Profit zu schlagen. Unsere wenigen Standards waren viel gefährlicher als deren zahlreiche, einfach, weil Wolze wesentlich besser schoss als der so hochgelobte Schnatterer.
Problematisch der frühe Ausfall Öztürks, durch den Wolze nach hinten rückte. Der kompensierte Öztürk zwar mehr als vollständig, aber nach vorne war Aycicek, jedenfalls in der ersten Hälfte, auch, weil uneingespielt, schwach. Er erinnerte micht doch situativ stark an seinen Vorgänger mit der nämlichen Rückennummer: oft im falschen Film, wenn mal einbezogen dann derjenige, der den Ball vertändelt, statt die offenkundigste Möglichkeit wahrzunehmen, irgendetwas genialisches versucht, was dann tölpelhaft wirkt. Mach es einfacher Junge, wird Baumann vielleicht angesagt haben, und in der zweiten Halbzeit ging es dann auch besser mit ihm.
Insgesamt umgekehrt als im Testspiel: die linke Seite deutlich stärker als die rechte, beide aber keineswegs schwach. Onuegbu sehr engagiert, er ist ein Typ, um den die Abwehr sich permanent kümmern muss. Bollmann, Feisthammel und Co. spielen so, als seien sie in der gehabten Konstellation schon zehn Jahre unterwegs. Insgesamt waren wir in den technischen Belangen dem Gegner klar überlegen: vom fangsicheren und gut getimten Rata angefangen kann man für alle Spieler, in der zweiten Halbzeit sogar für Aycicek, individuelle Überlegenheit über die Gegner konstatieren. Einen Einbruch bei der Kondition konnte man kaum wahrnehmen.
Was man als Prognose auch schon wagen kann: bei Baumann wird weniger das Spielsystem im Vordergrund stehen, aber die Motivation und die Fitness auf dem Punkt wird gegeben sein, und sie wird das Optimum darstellen, was herauszuholen ist. Klare Kante statt Konzeptfussball, vielleicht in der gegebenen Situation das Gegebene. Ehrlich gesagt gab es für mich keine Sekunde, in welcher ich überlegt habe, was jetzt unter einem Coach Runjaic gewesen wäre, oder was ein Jovanovic gemacht haben würde. Beste Männer auf dem Platz für mich Dum, Wolze, Bolle und Zoundi. Die anderen dicht dran. Es lebe das funktionierende Kollektiv.
Bleibt noch der Schiri, der uns klar einen Punkt gekostet hat: wieder mal ein überforderter Mann, der sein Unvermögen durch Ungerechtigkeiten und Willkür auszugleichen sucht, also einer, der es beim DFB noch weit bringen kann. Das Foul am King vor dem einzigen Tor der Begegnung erschien mir klar ersichtlich. Die Rote für Wolze stand einfach in keinerlei Kontinuität zu der sonstigen Entscheidungsfindung. Es war ein hartes Einsteigen des Duisburgers, aber doch nicht mehr als ein Allerweltsfoul, trotzdem es spektakulär aussah. Jeder konnte Wolze von seitlich-vorn herankommen sehen. Er wollte klar nur den Ball erobern, wenn er nur den und diesen klar genug tritt, ist das eine Grätsche, die viel Applaus bringt (hätte ihm aber vom Blindfisch mit der Pfeife trotzdem Rot eingetragen). Erhöhtes Verletzungsrisiko konnte ich nicht wahrnehmen, da war keine offene Sohle zu sehen, der Typ wurde auch nicht in die Zange genommen. Ein Zweitliga-Gegenspieler hätte darüber gelacht.
Klar: trotzdem dumm von Wolze, da so ranzurauschen. Nach zehn Gelben zuvor wäre es auch möglich gewesen, für einen knallharten Schiri, dann Rot zu geben. Am besten in der Situation: der Schiri richtet sich danach, inwieweit der Gegenspieler sich was getan hat, gibt Gelb und spricht eine ernste Ermahnung auf, mehr aufzupassen. Nachteil: man kommt dann nicht in der Fernsehzusammenfassung vor und hat hinterher keine Erinnerung für den bunten Abend im Kollegenkreis.
Schwamm drüber: als ich nach dem Spiel so nach Hause trudelte, bemerkte ich, dass ich in einer Stimmung war, wie sie sonst eher nach Siegen ist, und dass mir weder das Gegentor noch der Schiri diesen grossartigen Nachmittag, der mit vom Feinsten war, was ich bis jetzt an der Wedau erleben durfte, die Laune verderben konnte. Bloss weiter so, Leute, wenn das Dritte Liga ist, dann immer her damit. Und mehr davon, viel viel mehr!!