Für mich ist der letzte wahrhaftige Erneuerer beim FCB Louis van Gaal gewesen, der die Flügelzange Ribery/Robben erschuf, den zentralen Regisseur Schweinsteiger erfand, und dazu den exorbitanten Instinktstürmer Thomas Müller. Damit hat er die von reinem Ergebnisfussball geprägte Äera Hitzfeld für den deutschen Rekordmeister beendet und die Grundlagen für alles, was danach gekommen ist, einschliesslich Heynckes letztendlichem Triumph, gelegt. Ich war damals eine kurze Zeit lang sogar Bayern-Fan, so sehr hat mich das Durchsetzungsvermögen dieses Trainers, gepaart mit einem beispiellosen Sachverstand, seinerzeit begeistert.
Heynckes war und ist für mich ein grossartiger Typ im Fussball, der bringt die Leute dazu, dass sie sich wegen ihm wund laufen, der ist akkurat und feinfühlig, und natürlich ausgestattet mit einer Erfahrungsschatz ohne Vorbilder. Ich halte es aber für übertrieben, seinen Erfolg gleichzusetzen damit, dass er ganz vorn mit dabei gewesen wäre, wenn es darum geht, in der Weiterentwicklung des modernen Fussballs die erste Geige zu spielen (ein Anspruch, den die Bayern mit van Gaal in die Welt gesetzt haben, und mit Guardiola nochmals unterstrichen, während Klinsmann und Heynckes für mich doch eher Zwischenlösungen respektive Gelegenheitslösungen darstellten).
Was Guardiola angeht, so bin ich als einer, den es eigentlich begeistert, wenn jemand radikal neue Wege geht, selbst unter hohem Risiko, eher enttäuscht. Ich finde, dass er seine Ankündigung, dass bei Bayern etwas völlig Neues anzustehen habe, was man überhaupt nicht mit Barca in den Vergleich setzen könne, zu null Porzent eingelöst hat. Sondern er brachte nicht mehr als eine mässige Kopie der Matrix, welche bei Barca grandiose Erfolge zeitigte, zustande. Für mich sind diese früheren Erfolge Barcas aber mit den beiden Schlüsselspielern Xavi und Iniesta fest verknüpft, und der komplizierte Ballbesitzfussball, für den Gaurdiola steht, gewinnt seinen Charme und seine Überlegenheit nur durch das kreative Genie und den Geistesblitz solcher herausragender Akteure, welchen der Trainer blind vertrauen kann, und welche das System derartig aus dem FF kennen, dass alles zu einer fluiden Verschieblichkeit gelangt, die man kaum in Worte fassen kann.
Wer das nach Guardiola erneuerte Barca jetzt etwa in dem grossartigen CL-Finale bewundern konnte, wird festgestellt haben, dass sie die klassischen Guardiola-Zuordnungen längst modifizierten. Xavi als der grosse Regisseur wurde nicht 1:1 ersetzt, sondern Messi macht es jetzt ganz anders, aber ebenfalls genial (während er als "reiner" Stürmer etwas in den Hintergrund getreten ist) während Suarez Schnellkraft und körperliche Dominanz im und am Strafraum ganz neu in das System einbringt, in dem auch längst der weite, öffnende Pass und das klassische Konterspiel, auf höchstem technischen Niveau vorgetragen, Einzug gehalten haben, während nunmehr meist Neymar die genialen Momente mit plötzlichem risikoreichem Tempogehen beisteuert, die das Salz inder Suppe des klassischen Tiki-Taka darstellen.
Ein Iniesta, obwohl erkennbar keine Rakete mehr, kann immer noch geniale Momente haben, sogar bester Mann in diesem Ensemble aus Weltstars sein. Man hat sich neu erfunden, und alle scheinen damit glücklich und zufrieden zu sein, und man tritt als unbesiegbar erscheinende Macht wieder in den Wettbewerb ein. All dies, darum überhaupt die langwierige Exploration, mit einem weitgehend unbeleckten Trainer.
Für mich kommt so etwas dadurch zustande, dass ein Trainer seine Spieler tatsächlich richtig versteht und einschätzen kann. Er muss wissen, wem welche Art von Verantwortung gebührt, wer wozu fähig ist, wozu eher nicht. Mir fehlt dies bei den Bayern der Post-Hoeneß-Äera vollständig, wobei ich zu null Prozent ein Verherrlicher des Egomanen Hoeneß bin. Jedoch hat dieser Typ immer den richtigen Instinkt gehabt, schon als Fussballer (ausser natürlich als Elfmeterschütze!), während Rummenigge schon immer die Rummelfliege (Udo Lattek) war.
Ich denke, dass er und Sammer sich mit Guardiola auch endgültig vom Über-Macker Hoeneß loslösen wollten, und dabei den Pfad des Tugendhaften, vom Charisma eines Guardiola geblendet, verlassen haben. Natürlich ist Bayern kein regionaler Verein, aber sie waren halt immer auf internationalem Niveau das Zugpferd und Aushängeschild des deutschen Fussballs. Sie versammelten die Spielertypen, die repräsentativ dafür waren, wie der Fussi hierzulande aufgefasst wird. Ich glaube nicht, dass Guardiola hieran sonderlich interessiert ist, sondern dass er ohne viel Federlesens daran gegangen ist, eine Art von Mannschaft zu kreieren, deren Grundzüge ihm wahrscheinlich während seines 'Sabbaticals' in einem New Yorker Hotel hundertfünfzig Meter oberhalb der Strassen eingefallen sind.
Für mich geht es hierbei darum, dass anscheinend keiner Guardiola richtig versteht, und er nun im dritten Jahr auf der Suche danach ist, wenigstens ansatzweise mal einen verlässlichen Schlüsselspieler zur Umsetzung seiner Massgaben etablieren zu können: Alonso wirkte in der Rückrunde doch alt, Lahm ist über seinen Leistungszenit, und im Bereich Kreativität, mit dem ein alternder Spieler vieles ausgleichen kann, eher sowieso nicht zuhause. Schweinsteiger war im Grunde immer ein Sensibelchen, der einen Vertrauensvorschuss benötigt. Wäre Müller nicht fest im Bazitum verwurzelt, wäre er längst weg. Kroos wurde verschenkt, wirkte wohl zu bräsig. Götze, unser WM-Goalgetter, ist nur noch ein Wasserträger, der um seinen Stammplatz bangen muss, wenn Alaba zurückkehrt und Bernat daraufhin nach vorne rücken könnte.
Dazu holt man jetzt wohl diese Diva vor dem Herrn, Arturo Vidal. Mit dem habe ich noch nie ein Fussballspiel gesehen, bei dem er nicht unmittelbar vor einem Platzverweis gestanden hätte. Man kann sich schon gut vorstellen, wie es mit dem abgeht, wenn sich noch der ewige Prolo Ribery dazugesellt. Meines Erachtens hat dieser Typ bei Juve nur funktioniert, indem man ihn mit absolut abgehangenen Typen gänzlich umstellte. Aus einem derart undisziplinierten Spieler die neue zentrale Leitfugur machen zu wollen, halte ich für schlicht überkandidelten Irrsinn.