Nach durchaus gediegener Hinfahrt fiel unsere Autobesatzung gegen 10.00h in München ein. Vielfach wurde man von Eingeborenen angesprochen, die es sich nicht nehmen lassen wollten, den Duisburger Gästen ihren Unmut gegenüber dem FC Bayern und ihre Solidarität mit dem MSV kundzutunden. Die Roten scheinen in der bayerischen Landeshauptstadt wirklich beliebt zu sein.

Auf dem Marienplatz, als tausende Touristen dem nicht einmal besonders alten Rathaus-Glockenspiel andachtsvoll lauschten und ich gerade wieder einmal verstand, dass die Bayern im Gegensatz zum gemeinen Ruhrpottler wissen, wie man aus einer Mücke einen touristischen Elefanten macht, sprach mich einmal mehr ein Einheimischer an, der weit über 70 Jahre alt gewesen sein muss. Und erneut der Tenor:"Zieht den Bayern die Lederhosen runner. Viel Glück MSV".
Als man am Hofbräuhaus ankam, begehrten gerade lautstark ca. 50 Duisburger Einlass, während andere Duisburger gerade der Lokalität verwiesen wurden. In der Folge: Natürlich kein Reinkommen für alles, was nach Duisburg aussah. Also wieder auf den Weihnachtsmarkt, wo der MSV regierte. Und wo Bayern-Fans aufmuckten, wurde es für diese teilweise unschön.
Frühzeitig zum Stadion, überaus lasche Einlasskontrollen und dann in Block 345, wo ich zu meinem Entsetzen feststellte, dass ich mitten unter Bayern-Event-Familien saß. Die ersten Gästekarten, die im Stadion-Fanshop verkauft worden waren, sind wohl fast komplett an Schwarzmarkthändler gegangen, welche die Tickets an Rote weiterverkauft hatten. So trug es sich zu, dass Block 345 in den unteren Reihen zu über 80% mit Bazis oder Neutralen besetzt war. In den anderen Blöcken sah es besser aus, weshalb ich es vorzug, meinen Standort zu wechseln. Der harte Kern quittierte das Betreten der Heimblöcke durch Rote auf seine Art und Weise.
Zur Bayern-Kundschaft an sich muss man kaum ein Wort verlieren. Ein lächerlicher Haufen. Uli Hoeness wollte seinem Eventvolk vor dem Spiel das Seelchen streicheln. Sinngemäß:"Dass selbst gegen den MSV Duisburg das Stadion ausverkauft ist, ist sensationell. Und auch der MSV hat all´seine Fans mitgebracht". Diese Töne kamen beim MSV-Anhang naturgemäß nicht sonderlich gut an und bestätigen unsere Meinung.
Das Spiel begann und nach
15 Minuten war "Etappenziel Nr. 1" erreicht. Kein frühes Gegentor. Mehr noch: Der MSV mit beherzten Angriffen. Idrissou hätte die Zebras sogar in Führung bringen können. Der MSV zeigte, dass er sich vor Ribery und Co. nicht verstecken wollte. Zur
halben Stunde wurden die Sekunden wieder herunter gezählt. Der MSV immer noch nicht in Rückstand. Man verteidigte geschickt gegen überforderte Bayern, die in Halbzeit 1 nur in wenigen Situationen für den gestern gut aufgelegten Tom Starke gefährlich wurden. Der MSV immer wieder mit beherzten Gegenstößen, doch oftmals fehlte wie bei den Bayern die Präzision, auch wurde der Ball teilweise zu lange gehalten und so vertendelt. Ballbesitz erobern, gucken, passen -das muss alles viel schneller geschehen.
Die MSV-Tradition setzte sich fort: Die stabil wirkende Abwehrkette um den überragenden Roque Junior wurde nach Willis Ausfall gesprengt. Lamey wurde auf ungewohnter Position in die Schlacht geworfen. Nun ja, Willi hatte in alt bekannter Manier einige Zweikämpfe im Mittelfeld bzw. bei der Vorwärtsbewegung veloren.
Vor der Halbzeit die Münchener gefährlicher, doch der nach der Verdauung des überraschenden Spielstandes immer lautstärker werdende MSV-Anhang feierte nach
45 Minuten einen Achtungserfolg. In die Jahresbücher der Saison 2007/08 würde dieses Spiel wahrscheinlich mit 3-0 für die Roten eingehen, doch in der Klammer nach dem Endstand würde ein (0-0) stehen!
In der Halbzeit wurde unter den Fans über eine Hereinnahme Ailtons spekuliert, um vielleicht mal ein Tor zu erzielen. Zunächst galt es erstmal die erwartete Druckphase der Bayern schadlos zu überstehen. Dies gestaltete sich nun gegen einen aufdrehenden Ribery schwieriger als in Halbzeit 1. Ein Moment der Ohnmacht, als der Ball in unserem Netz zappelte und die Bayern-Kundschaft um uns herum kurz erwachte. Doch dann brandete in unserem Lager höhnischer Jubel aus. Abseits! Eine richtige Entscheidung.
Eine Stunde gespielt immer noch 0-0. Langsam wurde es unheimlich, da der MSV nach und nach seine
B-Abwehr gegen Lahm, Ribery und Klose ins Feld führen musste. Eine B-Abwehr gegen Bayern. Und dass bei einer A-Abwehr, die in der Hinrunde einige Fragen offen ließ. Schlicke wurde für uns scheinbar bewußtlos vom Platz getragen. Der Schiri entschied in Zweikämpfen meist für die Roten. Kaum mal ein Freistoß für den MSV.
Der mit vielen MSV-Fans gefüllte zweite Rang der Allianz-Arena begann nun auch, von Minute zu Minute mehr auszuraten. Aufopferungsvoller Kampf auf Platz und Rängen. Das Bayern-Echo aus der Südkurve wurde mit einem "S*****" niedergeschrien. Ich hätte mal gerne am TV gehört, wie unsere Stimmung rüberkam.
Da sich Bommer eine Auswechslung für den angeschlagenen Roque in der Hinterhand halten musste und verletzungsbedingt schon 2x gewechselt worden war, wurde es nichts mehr mit Ailton. Nach
75 Minuten musste dann auch der Ex-Weltmeister ausgewechselt werden. Roque mit seinem Weltklasse-Stellungsspiel wäre in dieser Verfassung wohl auch ein Kandidat für einen Stammplatz beim FC Bayern. Wie sollten wir nun ohne Roque den Laden dicht halten?
Die Abwehrschlacht nahm ihren Lauf und ich rechnete jeden Moment mit dem obligatorischen späten Bayern-Tor. Als Filipescus Kopfball dann doch in der 85. Minute am Tor vorbei strich und es immer noch 0-0-Stand, glaubte ich erstmals an den Punkterfolg gegen alle Widrigkeiten. Die berechtigte Rote Karte hatten wir im Stadion ohne Zeitlupen noch anders gesehen. Auf den vermeintlichen Idrissou-Tritt war keine Kahn-Reaktion erfolgt, weshalb nix passiert sein konnte. Einmal mehr fühlte man sich von den Schiris verschaukelt, Erinnerungen an das Pokalfinale 1998 wurden wach und jeder einzelne Fan schien fast schon Mordgedanken zu hegen. Aber im Nachhinhein: Riesen Dummheit von Mo! Klarer Platzverweis!
Die letzten Minuten waren ein einziger Kampf unserer Zebras, die sich in alle Schüsse warfen und auf dem Platz zerrissen. Als Mokhi einmal fast allein aufs Tor zulief, sah ich uns fast schon den Wahnsinn perfekt machen. Doch leider gingen ihm die Kräfte aus. Aber es war in Halbzeit 2 fast eine reine Abwehrschlacht. Gezittert und gekämpft bis zum Schuss, wobei in der Nachspielzeit die Münchener scheinbar schon etwas resigniert hatten!
Hier war nix mehr zu machen! Unsere Mauer stand -egal ob die Bausteine Santos, R. Junior oder Filipescu hießen. Egal, ob die Gegner Klose und Ribery hießen! Wir haben es den dummen Seppels gezeigt!
0-0 nach
94 Minuten. Bei Abpfiff ein Jubel wie bei einem Torerfolg.
Alles andere war Ekstase.
Jetzt den Punkt gegen die Hessen vergolden! Wir sind wieder da!
Eine nicht für mögliche gehaltene Leistung der gesamten MSV-Mannschaft in München. Das war nicht nur Glück. Das war Mut, das war Können, das war Kampf, das war ORDNUNG, Selbstbewußtsein und Leidenschaft! Selbstbewußtsein auch beim Torwart!
Lied des Tages: Ihr seid nur taubstumme Münchener!

(Nach der Melodie "Ruhrpottkanacken").