Liebe Freunde des gepflegten Ballsports, um vom MSV nicht allzu sehr verwöhnt zu werden, tue ich mir des Öfteren auch mal Spiele der ersten Fußballbundesliga an.

Gestern führte mich mein Weg in die Dum... äh... Domstadt. Das Ziel der Expedition war es, der Frage des Hoffenheimer Erfolgsgeheimnisses auf den Grund zu gehen. Begleitet wurde ich von einer Sportwissenschaftlerin, von der ich die Karte für die Osttribüne des ausverkauften Stadion erhalten hatte.
Vor dem Spiel präsentierten die Kölner jeweils auf Nord- und Südtribüne zwei große Spruchbänder, die sich mit dem Thema Hoffenheim, Hopp & Tradition befassten. Besonders gelungen fand ich ein Spruchband im Unterrang der Nordtribüne auf welchem zu lesen war:"Tradition seit 1899? Marketing seit 1999
->". Der blaue Pfeil wies in Richtung des unmittelbar angrenzenden Gästebereichs, der annährend komplett gefüllt schien. Und zwar mit 250 Personen, die man als glühende und singende Anhänger der Gäste ausmachen konnte, im Übrigen mit Neutralen, Verehrern, Neugierigen und Köln-Fans.
Ja, es lag schon eine authentische Besorgnis um die Zukunft der hiesigen Fußballlandschaft in der Luft, als sich 5 Minuten vor Anpfiff die unübersehbaren Spruchbänder entrollten. Die Zuschauer machten den Eindruck als würde es ihnen vor Hoffenheim gruseln. Zunächst keinerlei Anti-Gesänge, überall auch kleinere, kaum lesbare Spruchbänder und Schilder in den Blöcken. Ansonsten präsentierten die Köln-Fans kaum eine Schwenkfahne. Optisch ein mäßiges Bild der Domfans.
Die Kölner Spieler schienen die Besorgnis ihrer Fans zu teilen und zollten Hoffenheim in den ersten 10 Minuten abwartenden Respekt. Es war eigentlich deutlich zu sehen, dass Hoffenheim schwer ins Spiel kam und auch leichte Unsicherheiten in der Abwehr offenbarte, aber die Kölner wollten dem Braten scheinbar nicht trauen und nutzten -unverständlicherweise- die Situation nicht aus.
Die Kölner Strategie ging eindeutig in die Richtung, die Hoffenheimer Spieler mürbe zu machen, indem man sie im Zweikampf eng behakte. Doch da hatten sie die Rechnung ohne den Schiedsrichter gemacht, der wenig durchgehen ließ. So brachte sich der Unparteiiische schon nach 10 Minuten ins Kreuzfeuer des Heimanhangs, der überraschend früh und lautstark "Schieber" skandierte. Ansonsten kam die Stimmung des in dieser Saison bislang nicht gerade gepeinigten FC-Anhangs wenig überzeugend rüber. Dies ist meines Erachtens der schlechten Akustik geschuldet. Der Abstand zwischen Fanblöcken und Dach ist recht groß und der Unterrang der Südtribüne im Verhältnis zum Oberrang zu klein, so dass die Beschallungsfläche des Stadions in einem ungesunden Missverhältnis steht. Auch in Höhe der Mittellinie sitzend konnte man die Süd nicht wirklich laut vernehmen. Der teilweise erlebnisorientierte Kölner Anhang unter dem Dach der Nordtribüne war besser vernehmbar als die eigentliche Heimtribüne, aber auch der war nicht wirklich gut. "Erster Fußballclub Köln - Erster ÄÄÄÄÄÄÄÄFF ZÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄH Köln" war der einzige Gesang, der überhaupt hörbar war.
Die Kölner schlugen aus ihrer besten Phase Mitte der ersten Halbzeit kein Kapital und so kam es, wie es kommen musste. Nach einem der ersten gelungenen Blitz-Spielzüge vollstreckte der Gast zum 1-0.
Das Geheimnis der TSG ist m.E. keineswegs, dass man über 90 Minuten überragenden Fußball spielen würde. Dem ist bekanntermaßen nicht so.
Das Geheimnis ist auch nicht, dass man nur überlegende Fußballstars aufbieten würde. Zwar wird wahrscheinlich der teure brasilianische Starspieler Eduardo mit seiner brillianten Leichtfüßigkeit über Kurz oder Lang "der" Bundesligastar schlechthin werden, aber wer möchte schon die Herren Haas, Jaissle, Compper, Jancker und Weis als gefestigte Bundesligagrößen bezeichnen? Übrigens alles junge deutsche Spieler, die bei der TSG mittlerweile vermehrt zum Einsatz kommen. Beck fehlte gestern.
Das Geheimnis ist meines Erachtens das taktische Konzept, welches über eine junge, motivierte, athletische, vor Kraft strotzende, hoch konzentrierte, technisch individuell starke Mannschaft gestülpt wird. Also, die zuvor genannten grundlegenden Parameter sind schon einmal vorhanden, was wahrscheinlich auf kaum eine andere deutsche Mannschaft in dieser Vollständigkeit zutrifft. Darüber dieses taktische Konzept -ein Konzept, welches wahrscheinlich jeder Trainer gerne spielen lassen würde, aber es klappt bei anderen Vereinen nicht, da die Kontinuität fehlt. Während Rangnick mit seinen Mannen seit längerer Zeit Konzeptfußball einstudieren kann, werden bei anderen Vereinen die besten Spieler weggekauft. Diese Gefahr läuft Hoffenheim nicht. Hier kann man seit Jahren die Spieler behalten, die man behalten will. Und die Spieler holen, die man holen will. Man entwickelt den Kader seit Jahren nach eigenem Wunsch absolut fachmännisch weiter.
Hoffenheim hat erstmal überhaupt keinen reinen Zerstörer in der Truppe. Auch ein Gustavo spielt einen feinen Pass, räumt aber mächtig im Mittelfeld auf. Gleiches gilt für fast alle Spieler. Es wird gepresst und bei eigenen Angriffen nach hinten meist gut abgesichert, so dass man nicht ins offene Messer läuft. Es gibt viele Fehlpässe, weil der Ball schnell und ohne Augenkontakt zu der Position gespielt wird, wo laut einstudierter Spielsituation der Mitspieler zu finden sein müsste. Steht er dort und befindet sich Hoffenheim also in seiner einstudierten Grundaufstellung für die jeweilige Angriffsituation, nimmt das Schicksal seinen unaufhaltsamen Lauf. Dann macht es Zack-Zack-Zack und nach drei Stationen liegt der Ball im Tor. So wie beim 1-0, als sich der körperlich starke Ba durchsetzte. All dies wird begleitet von einer großen Übersicht, einer hohen Passpräzision und vor allen Dingen von einem:
Von Schnelligkeit. Das Hoffenheimer Spiel ist körperbetont, geht Hin und Her, doch dann wird der Hebel auf Offensive umgelegt. Alle Stürmer und Mittelfeldspieler sind in Bewegung. Alles versucht, sich ständig freizulaufen, auch mal zu rotieren, die Seite zu wechseln, alles versucht anspielbar zu sein, sobald der Schalter auf "Angriff" umgelegt wird. Die Jungs kennen sich aus dem Eff Eff. Die körperlich unterschiedlichen Typen harmonieren (z.B. im Sturm) sehr gut.
Ich bin mal gespannt, wann die Bundesliga es wirklich mal schafft, dauerhaft den Hoffenheimern den Zahn zu ziehen. Das Mittel hierzu muss noch gefunden werden. Das geht wahrscheinlich nur mit stark körperlichem Spiel, einem Schiri der das durchgehen lässt und viel, viel Videostudium der Hoffenheimer. Ferner kann man Schwächen der Hoffenheimer am ehesten noch im Defensivverbund ausmachen, auch wenn dort schon stark agiert wird. Sollte Hopp den Hoffenheimern noch einen Weltklasse-Verteidiger hinzu kaufen, werden diese auch dort kaum noch zu knacken sein. Im Moment aber sind Defensive und Torwart noch verwundbar, was Köln gestern irgendwie nicht begriffen hatte.
Die Hoffenheimer bekamen also das Spiel in den Griff und hielten zum Erschrecken einiger Gastgeber auch körperlich voll dagegen.
Die Kölner, die ihre Stärken eher in der Verteidigung und im def. Mittelfeld haben und im Offensivspiel sehr hausbacken daher kommen, wirkten verzweifelt. Fans und Spieler versuchten mehr und mehr sich über Schiri-Schelte gegenseitig zu puschen und gleichsam Hoffenheim aus dem Gleichgewicht zu bringen. Im Endeffekt konzentrierte man sich zu sehr auf den Schiri und vergaß das eigene Spiel. Und die Schiri-Schelte war in Halbzeit 2 groß. Nun wurde es auch richtig laut im Stadion, als McKenna vom Platz gestellt wurde. Gellendes Pfeifkonzert über viele Minuten. Jede strittige Szene brachte von nun an das Stadion zur Explosion, so dass der Schiri die Konzessionsentscheidung traf, auch einen Hoffenheimer vom Platz zu stellen. "Ihr seid die H*ren der Liga" hallte es von den Tribünen. Da war sie wieder: Meine Abscheu vor dem FC Köln -auch wenn dieser Gesang nicht ganz unrichtig war. Neutral hatte ich zunächst das Spiel verfolgt, doch von nun an hatte ich unter all den Ziegen nur diesen alten Wunsch: Möge Köln zum Teufel gehen! Da kann der Gegner selbst Hoffenheim heißen. Erfreut nahm ich daher das 2-0 Hoffenheims zur Kenntnis. Der Verein Hoffenheim von 1899 (?) mag so pervers sein, wie er will. Hoffenheims Spieler machten Spaß. Diese Schnelligkeit, dieser Konzeptfußball.
Mit meinen zunehmenden verbalen Parteilichkeiten hatte ich nach dem 2-0 meine mich begleitende Sportwissenschaftlerin bedauerlicherweise vertrieben, wollte nun selbst den vorzeitigen Heimweg antreten, als die Gastgeber durch diesen dummen abgefälschten Ball den Anschluss schafften. Nun harrte ich noch einige Minuten aus, um dem erlösenden 3-1 beizuwohnen und ergriff danach zufrieden mit den Ziegen die Massenflucht aus dem Stadion, als sich auch mal der "Gästeblock" mit "Auf Wiedersehen"-Gesängen zu Wort meldete. Alle 250 haben in dieser Situation gewunken.


Am Marathontor warf ich noch einen Blick zurück. Nicht im Zorn, sondern auf den geballten Zorn, der sich gerade entlud. Denn die Köner Nordtribünen-Fans versuchten gerade den Gästeblock von der oberen Plattform aus zu stürmen. Es flogen Fäuste. Der Hass regierte. Ich war weg und hatte ein schönes Spiel gesehen.
Köln wird dank der starken Defensive die Klasse locker halten. Diese Saison reichen 30 bis 32 Punkte. Hoffenheim wird in der Rückrunde geknackt, knackt sich selbst oder spielt nächste Saison CL. Letzteres ist wahrscheinlicher!