Aber das ist ja noch eine andere Qualität.
Das mag ja alles sein, spielt aber hier keine besondere Rolle mehr.
Die "Gegenseite" hat unmissverständlich klar gemacht, dass sie schlicht keine Pyrotechnik will. Sie beruft sich dabei auch noch auf einen beträchtlichen Teil der Zuschauer, der auch nicht dran interessiert ist. Und natürlich auf rechtliche Tatbestände. Sie stellt weiterhin in Abrede, dass Pyrotechnik zur "Fankultur" gehört. Diese Konfliktpartei reklamiert für sich Legalität und Legitimität, sie hat starke Machtpositionen und in den staatlichen Organen sehr mächtige Verbündete. Zudem hat sie - manipuliert oder nicht - die öffentliche bzw. veröffentlichte Meinung mehrheitlich auf ihrer Seite, wie hier ja viel beklagt wird. Diese Seite wird einen Konflikt daher nicht scheuen.
Die Pyrotechniker befinden sich in einem Dilemma. Sie betrachten sich als die Verteidiger der Fankultur und des "echten" Fußballs, sehen sich auch als Vorkämpfer gegen eine weitere Kommerzialisierung. Damit gehören sie als eine Minderheit zu einer größeren Gruppe (Ultraorientierte), bei der sie auf jeden Fall Sympathien genießt, auch wenn sich nicht jeder an Pyroaktionen beteiligen wollte. Aus diesen Gründen nehmen sie ihre Position als eine legitime und von breiten Kreisen unterstützte wahr, während sie bestreitet, dass die Gegenseite legitim handelt.
Andererseits verkennen die Pyrotechniker auf dieser Basis offenbar, dass sie im Gesamtkontext dennoch eine relative kleine Minderheit sind (Zitat: "12.000 Bekloppte von 54 Millionen" - nicht fein, aber zahlenmäßig eher zutreffend). Sie haben zudem die Medien gegen sich, und mir ist nicht ersichtlich, dass sie dort eine gewichtige Gegenposition aufbauen können, die allgemein Gehör finden würde. Auch eine politische Unterstützung ist nicht in Sicht. Zudem werden sie sich, wenn die Ankündigungen der Gegenseite wahr werden, legalen Maßnahmen ausgesetzt sehen (Einlasskontrolle usw.). Diese könnte man zwar rechtlich prüfen lassen, aber das dauert erstens und ist zweitens erst einmal wenig öffentlichkeitswirksam. Zudem wurde für die (eventuell sogar neutrale) Mehrheit bisher keine überzeugende Begründung dafür geliefert, warum Pyro sein muss. Mit Verlaub: Argumente wie "gehört dazu" oder "sieht toll aus" werden hier nicht reichen.
Fazit: Wenn hier verschiedentlich der Status einer illegitimerweise unterdrückten Minderheit beansprucht wird (es hat sich ja sogar schon einmal jemand mit den Demokratiebewegungen der arabischen Welt verglichen), so ist die gesellschaftliche Anerkennung dieser Position bislang sehr gering. Wenn eine gesellschaftliche Minderheit im Konflikt mit der Mehrheit steht, ist es für sie lebenswichtig, dass sie die Legitimität der eigenen Bestrebungen nachweist. "Minderheit" muss hier nicht unbedingt zahlenmäßig verstanden werden; sie kann auch über den Ausschluss von gesellschaftlichen und politischen Machtpositionen zustande kommen.
Beispiel: die Arbeiterbewegungen des 19. Jahrhunderts waren keine numerische Minderheit; die "herrschenden Kreise" bestritten aber die Legitimität ihrer Forderungen, und sie waren lange Zeit von jeder politischen Mitbestimmung ausgeschlossen. Allerdings fanden die Arbeiter bald politische und mediale Unterstützer, die ihre Anliegen als legitim und sozial erwünscht bzw. notwendig propagierten.
Diese notwendige Unterstützung ist für die "Pyrotechniker" bisher nicht in Sicht. Sie wäre aber notwendig, denn sonst bleibt der Konflikt mit Verbänden und Politik aussichtslos. Eine Minderheit ohne Überzeugungskraft wird verlieren.