Mein Mitleid für Hoeness hält sich in engen Grenzen. Klar kann man den Eindruck gewinnen, wenn er die Hälfte seiner Einnahmen versteuert, sollte das mal genug sein. Jedoch ist hiervon angesichts vielfältiger Abschreibungsmöglichkeiten sehr wahrscheinlich längst keine Rede.
Die Bundesrepublik Deutschland bietet reichen Leuten so einiges, auch welchen, die reich werden wollen. Schon die Tatsache, dass Hoeness seine Prominenz hochwertig versilbern konnte, geht ja auch daraus hervor, dass wir in einem Land leben, wo Rechtssicherheit herrscht, eine gut entwickelte Logistik besteht und der Bevölkerungsdurchschnitt so gut verdient, dass er sich Würstchen, Trikots, Eintrittskarten und Abos für Sportsender leisten kann.
Auf jeden Artikel, den ein Hoeness veräussert, wird erstmal ein Fünftel Mehrwertsteuer fällig. Davon werden die Autobahnen gebaut und instandgehalten, über welche seine Würstchen in die Welt hinausrollen, davon die Flugplätze bewirtschaftet, von welchen aus Bayern München seine Reisen antritt. Fernsehen, Strom, Internet kommt alles dazu. Wenn Gewerbeparks erstellt werden, auf dessen Verkaufsflächen Hoeness seine Produkte feilbietet, finanziert das anteilig der Steuerzahler.
Eine gute Überlegung: was wäre gewesen, wäre Hoeness als Schweizer zur Welt gekommen? Bestimmt hätte er es auch zum Nationalspieler dieses Landes gebracht, da er ein überragender Fussballer war. Aber wäre er mit denen Weltmeister geworden? Hätte er den FC Basel zu einem der führenden europäischen Fussballmannschaften gemacht und den Metzgerladen vom Vater zu einem Wurstimperium?
Dass es Steuerfluchtoasen wie Monaco gibt, ist ja traurig genug. Hier ist Hoeness nicht zu loben dafür, dass er gnädiger Weise hier geblieben ist, denn er hat auch mit dieser Entscheidung wahrscheinlich reichlich Kasse gemacht, sich zudem den moralischen Status erworben, sich als Mahner und Warner in die Politik einzumischen und wahrscheinlich auf Landesebene bei der CSU auch grossen Einfluss auf wichtige Entscheidungen aufzubauen.
Die Art, wie er jetzt ins Licht gezerrt wird, ist alles andere als schön, aber auch hier war Hoeness immer ein Wegbereiter für eine Law-and-Order-Mentalität, die eigene Massstäbe extrem hoch angesiedelt hat und ungeniert seine eigenen, unbestrittenen Verdienste als Berechtigung für Werturteile aller Art herangezogen hat, wie beim tolpatschig in seine Falle gegangenen Gelegenheitskokser Christoph Daum.
Wenn es sich zudem um Kapitalertragssteuer handelt, die hinterzogen wurde, dann hat er das Geld vermutlich beim Zocken an der Börse oder mit Investitionsmodellen gemacht. Dass es Ausdruck seiner unternehmerischen Tatkraft ist und es ihm somit irgendwie zusteht, selbst zu entscheiden, was er damit anstellt, davon kann keine Rede sein. Hier ist er nur irgendein Reicher, der noch reicher wird, weil er sich teure Finanzberater hält, die wahrscheinlich Gewinnspannen zum mit-den-Ohren-schlackern herausholen, auch, indem sie die Investitionsrisiken über Hedgefonds und staatliche Bürgschaften wieder an die Gemeinschaft zurückgeben.
Eine Debatte darüber, ob vor dem Gesetz immer noch alle gleich sind, oder ob sich mit genug Geld eine Position erworben werden kann, die bestimmte gesetzliche Tatbestände relativiert, wird nur gesellschaftliche Relevanz erhalten, wenn die, die man erwischt, auch polarisierende Prominente sind. Hoeness hat den öffentlichen Raum stets ebenso offensiv aufgesucht, wie er früher als Kicker in den gegnerischen Strafraum eingedrungen ist, damit hat er die Exponiertheit, die seinen Fall jetzt in die Medien hineinfluten lässt, selbst erzeugt.