@shanghai
Für mich steckt mehr dahinter als Starrsinn oder Dummheit. Leute, die soviel erreicht haben wie Hoeness und Rummenigge, machen solche Fehler nicht aus Mangel an Umsicht, sondern, weil sie sich im Recht wähnen.
Hundert Millionen im Ausland sind Macht. Wer sie besitzt, besitzt Handlungsoptionen gegenüber dem Staat. Diese Tatsache sollte durch das Steuerabkommen mit der Schweiz geräuschlos überdeckt werden. Das ist zum Glück misslungen, und jetzt ergäbe sich die Gelegenheit, nach den Triebfedern für die ganze kriminelle Energie zu suchen, die sich da auftut.
Leider wird die Debatte viel zu sehr als Neiddebatte angelegt, was ja ein Indiz dafür ist, dass wirkliche Zusammenhänge für viele lieber unaufgedeckt bleiben. Der Gutmensch Hoeness, dem da was mit "Spielgeld" aus den Fugen geraten ist, wird gegen die moralinsauren Tugendwächter des Steueramtes aufgestellt, welche jede funktionierende Privatinitiative unterbinden.
In Wahrheit ist Hoeness ein geschickter Devotionalienhändler, nicht mehr. Die Produktpalette, die dem FCB zu Milliarden verholfen hat, ist weitgehend nutzlos: überteuerte Polyestertrikots, eine biedere Klamottenlinie, alberner, von Parias oder chinesischen Strafgefangenen hergestellter Kleinkram, künstlich teuer gemachte Verträge mit Pay-TV-Anbietern, die jahrelang ihre Bilanzen gefälscht haben und von ausländischen Medienmogulen über Wasser gehalten wurden, als das nicht reichte. Und die heutzutage nur deswegen überleben, weil es ihnen gelingt, das Kulturgut Fussball für den Normalseher soweit künstlich zu verknappen, dass es als etwas von auserlesener Exklusivität erscheint.
Wobei die Anmeldezahlen in den Jugendvereinen eine ganz andere Sprache sprechen, nämlich die, dass der Fussball als das "Normale" aus dem Umfeld der Menschen verschwindet, und sie nur noch das Event Hoeness´scher Machart im Kopf haben, wenn sie an Fussball erinnert werden.
Hoeness hat den FC Bayern schon als grossen Verein übernommen, dies übersehen gerade viele. Der Jahrhundertspieler Beckenbauer hat die Grundlage für die Grösse der Bayern im Jahrzehnt zwischen Mitte der sechziger und Mitte der siebziger Jahre geschaffen. Hoeness hat den Verein zwar im Zeitalter der radikalen Kommerzialisierung ganz an die Spitze geführt, aber sportlich nicht weiterentwickelt. Im Gegenteil: mit der Verpflichtung eines Magath, der Rückholung von Hitzfeld, den Entscheidungen für Klinsmann und gegen Klopp, sowie gegen van Gaal und für Nerlinger hat er u.a. seinen eigenen sportlichen Konservatismus immer wieder klar bekundet. Typisch für ihn allenfalls, dass ihm sowas nie anhaftet.
Hoeness mag, trotz der mitunter zweifelhaften Güte seiner Produktpalette (weiss nicht, ob ich schon mal ein Hoeness-Würstchen gegessen habe), ein fähiger Kaufmann sein. Deshalb ist er noch kein guter Politiker. Hier ergibt sich aber das eigentliche Problem: gerade, nachdem die neue Weltwirtschaftkrise bewiesen hat, dass eine nur nach marktradikalen Gesichtspunkten ausgerichtete Politik mit Karacho an die Wand fährt, kommen die Neokonservativen mächtig auf mit dem Versuch, uns zu beweisen, dass genau dieses jetzt notwendig ist: nachdem die Staatengemeinschaft sich hoch verschuldet hat, um ihre Portfolios zu schützen, wollen sie diese Staatengemeinschaft jetzt entgültig enteignen.
Klar tut ein Hoeness viel Gutes. Aber er ist auch sehr mächtig, und während er Gutes tut, und darüber reden lässt, wird er auch noch reicher. Er tut also nichts Gutes in dem schönen biblischen Sinne, dass er was teilt, sondern er lässt hin und wieder eine Kelle von dem Überschuss, den er abschöpft, unter den Armen verteilen. Dafür nimmt er aber auch in Anspruch, dass es so zu laufen hat, wie er sich allles vorstellt.
Bizarr, denen Moralisieren vorzuhalten, denen sowas nicht passt. Was Hoeness tut, oder bislang getan hat, ist Moralisieren, und zwar tatsächlich von sehr hohem Niveau aus, nämlich vom Standpunkt eines Machtmenschen, der für sich beansprucht, durch seinen Reichtum ein Recht erworben zu haben, Werturteile zu fällen und politische Tatsachen zu schaffen.