Diskussion ist schwierig, weil ich aus der Ferne so wenig sehe - damit kann einiges nur recht freifliegend sein.
Zunächst ist das 1 : 0 ein langer Querpass durch die rote Zone ohne Torbesetzung - das ist ein wenig, als wenn ich mich erhänge, aber zur Sicherheit beim Sprung vom Hocker noch erschiesse - hat an dieser Stelle für mich ersteinmal wenig mit einem Spielsystem zu tun, sondern primär mit einem jungen Torwart, der mutige Lösungen sucht - und in diesem Fall erkennen musste, dass die Grenze zwischen "mutig" und "wahnwitzig" eng sein kann. Stehe da aber voll hinter Braune, der genau das versucht, was bei einem flachen Spielaufbau gegen hohes Pressing irgendwann passieren muss, der Wechsel in eine druckfreie Zone. Darf er DA und SO aber einfach nicht machen. Lehrgeld.
Das die Situation überhaupt entsteht führt dann aber doch zum Spielsystem:
Hole ich ein wenig aus.
Nach Hohkeppel hatte ich den tiefen Ansatz verteidigt, aber Teile der Ausführung bemängelt. Dabei habe ich von einem tiefe 442, bzw. 4411 gesprochen, Du
@Schimanski dagegen von einem 4141 bei dem in der Vorwärtsbewegung durchgeschoben wird.
Und in dieser unterschiedlichen Wahrnehmung liegt für mich ein Teil des Problems:
4141 ist für mich persönlich eine Art Notwehr-System, mit dem ich versuche eine individuell unterlegene Mannschaft doch irgendwie im Spiel zu halten.
Ich schaffe für den Gegner einen langen Weg zum Tor, mit 4 "Ketten", halte aber trotzdem die Aussen doppelt besetzt. Im Aufbau ermöglicht der Solosechser zusätzliche Dreiecke/Anspielstationen, die im klassischen 442 fehlen.
Defensiv agiert der Stürmer lenkend - je nach Personal in die Tasche im Zentrum, ich bevorzuge auf die doppelt besetzten Aussen, mit dem Ziel den Ball schon vor dem letzten Drittel zu bekommen.
Das Problem begann für mich damit, dass Wegkamp nicht gelenkt hat.
Dadurch muss ich immer die ganze Breite verteidigen, was dem Gegner Raum gibt.
Im nächsten Schritt würde ich zumindest eine intensive Anlaufreaktion erwarten, wenn der erste Ball nach vorne gespielt ist wir so Höhe Mittelkreis sind - und einen Stürmer, der wie Esswein den Rückweg zumacht. Auch das passierte aber nicht. Gerade in der ersten Halbzeit hatten wir in der kritischen Zone im zweiten Drittel keinen Zugriff - kam der Ball nach aussen, haben wir zugelassen, dass er in die Mitte zurück konnte, war er im Zentrum, ging der Weg nach aussen wieder auf. Für mich war der Gegner entscheidend zu oft im letzten Drittel, für ein System, bei dem, wenn es so tief gespielt wird, 5 Leute das zweite Drittel besetzen.
Ich bevorzuge wie gesagt, den Gegner nach aussen zu lenken - dann kann der 6er den Weg zum Tor schliessen, der 8er den Rückweg in die Mitte, der Stürmer nach hinten und die beiden Aussen, können den Zweikampf führen - da sollte dann Ende sein. Das hat sehr oft nicht geklappt, wir haben den Ball oft erst kurz vor dem 16er bekommen - Riskant. Trotzdem habe ich nach dem Spiel genau wie Du jetzt gesagt: Die Vielbeinigkeit der tiefen Stellung hat uns letztlich immer gerettet.
Warum aber habe ich kein 4141 gesehen? Weil für mich der Solo-6er in diesem System eine ganz zentrale Rolle hat, idealer Weise robust UND ballsicher ist. Robust: Der Gegner soll expliziten Respekt vor diesem Spieler haben, wissen, wenn du in den zentralen Raum vor dem Tor kommst hast du Stress. Ballsicher: In der Lage schnelle Umschaltsituationen einzuleiten. Diese Rolle habe ich bei uns schlicht nicht besetzt gesehen.
Zum Aufbau:
Ich kann weiterhin tatsächlich extrem wenig damit anfangen, dass im Aufbau bei uns teilweise bis zu 6 Spieler mit minimalem Höheunterschied im ersten Drittel sind. Zum einen wird unser Aufbau durch die Zwischenstation am 5er sehr langsam - der Gegner kann relativ einfach mitschieben. Zum zweiten werden die Winkel so flach, dass teilweise ein einziger Spieler reicht, um 2 oder sogar 3 Anspielstationen aus dem Spiel zu nehmen - und genau das passiert beim 1 : 0, und da gibt es dann schon eine Verbindung zum Spielsystem.
Meine Interpretation ist, dass wir garnicht aufbauen, sondern primär locken wollen, wir wollen, so scheint mir, wann immer möglich im Aufbau Ballverluste im Sechserraum vermeiden, und möglichst direkt unsere schnellen Aussen oder den Stürmer ins Spiel zu bringen. Das kann ich nachvollziehen, aber ich würde selbst wenn das unser Ziel wäre, weiterhin die IVs im Aufbau weiter nach aussen schieben, dass sie real drei offensive Anspielstationen haben: AV an der Linie, Aussen in Halbraum und den Sechser zentral. Jeder von denen kann dann noch den Ball zum langen Ball durch den IV prallen lassen- ODER eben doch weiter spielen. Jemand der für mich genau in diesen Entscheidungssituationen am Schluss einen Mega-Job gemacht hat, war Castaneda - der hätte genau das Profil. Bookjans und Sussek sind für mich eher Ballträger, und wären für mich ein zu grosser Offensiver Verlust, denn dieser Solosechser hat eine extrem wichtige sichernde Funktion. Egerer/Togbenyo waren mir dafür bisher nicht dominant genug - bedeutet aber nicht, dass sie den Part nicht spielen könnten, wenn er noch ein Spur klarer ausgearbeitet wäre. Michelbrink könnte das fussballerisch, ob er phsysisch ausreichend Durchsetzungsvermögen hat, müsste man wie zuletzt schon gesagt sehen.
Lange Rede kurzer Sinn:
Ich verstehe, warum Hirsch so spielt, wie er spielt - und das kann im Kern defensiv auch so bleiben. Ich würde aus meiner grossen Ferne allerdings schon eine Spur mehr Tiefe in den Aufbau bringen - locken ja, aber zumindest die Option zu einem klassisch spielerischen Aufbau wahren - der ist aus der aktuellen Formation wenig realistisch.
Wie gesagt. Das alles mit vielen Vorbehalten, da ich kaum Anschauungsmaterial habe - umso gespannter bin ich auf Antwort(en)