Nach diesem Wochenende muss ich mich erst einmal sortieren. Und wie sollte man sich besser sortieren, als wenn man unsortiert vor sich hinschreibt? Es folgen: Die Berlin-Eindrücke des Herrn Stripes.
Ich habe mich von Anfang an in diese Stadt verliebt. Das Flair von Moabit, wo wir für zwei Nächte abgestiegen sind, entspricht genau meinem Geschmack. Aber auch Tiergarten und Mitte haben mich beeindruckt. Ein Wald mitten in der Stadt, das hat schon was. Insgesamt hat die Stadt einen Hauch des Gefühls vermittelt, das ich in einem Jahr für London entwickelt habe. Das hat die Wartezeit aufs Finale sehr versüßt und die Nervosität ein wenig vergessen lassen. Danke dafür, Berlin! Es war sicher nicht mein letzter Besuch.
Irgendwann sollte es dann aber doch in Richtung Stadion gehen. Ein schönes Stadion haben sie da. Keine Metall-Beton-Konstruktion, die an ein Parkhaus erinnert. Eher eine antike römische Arena. Das muss man trotz der schwarzen Geschichte einfach anerkennen.
Einmal haben wir das Teil umrundet und bestaunt, dann ging es in den Block. Konfliktpotential war vorhanden, sobald ein Schalker sich die Treppe hoch bewegte. Mit Nettigkeiten und auch mal einem Schulterklopfer wurde ihm gleich seine Deplatzierung klar gemacht. Schade, dass nicht offensichtlich war, wo der MSV-Block aufhört, sonst wäre sicher noch der eine oder andere Schalker mehr geflogen.
Die Zeit bis zum Spiel verging dann auf einmal ganz schnell. Twist und Hymne eher gegröhlt als gesungen - an so einem Tag wird geklotzt, nicht gekleckert. Ein erster Aufreger, als uns der DFB ein Pokalfinale unterschlug. Was für Dilettanten arbeiten da eigentlich, dass die noch nicht mal bis vier zählen können?
Der Rest ist Geschichte. 0:1 - weiter, immer weiter! 0:2, anschließende Druckphase - da geht noch was! 0:3 - Halbzeit. Diese wurde zum Frustabbau mit einem Kollegen verbracht, um Ordner zu belabern: Die sollten die Schalker nicht mehr in den Block lassen. Unfähige Antwort: "Wenn die Karten haben, muss ich die reinlassen." Also ein paar Meter weiter eine zweite Ordnerreihe aufgemacht und vom Klo kommende Schalker wieder rausgeschickt. Komisch, dass die Ordner nichts dagegen gemacht haben, wenn die doch in den Block durften...
Wiederanpfiff, noch mal alles geben. Dann das 0:4 - Depression. Ich wollte einfach nur noch raus aus der Geschichte. Keinen Bock mehr, ständig auf die Fresse zu kriegen. Ein Vereinswechsel kommt nicht in Frage, also bleibt nur der Rückzug aus dem ganzen Fußballbusiness. 0:5 - inzwischen scheiß*egal. Und dann diese ominöse Hymne in der 80. Minute. Auf einmal gehen alle Schals hoch, und man spürt, dass man sich hier nach dem bisher schon angemessenen Auftritt noch sehr viel teurer verkaufen wird als die Mannschaft es tut. Und dann zieht sich langsam, aber beständig der Meidericher SV-Gesang über die Kurve. Die Fahnen gehen wieder hoch, alles eskaliert. Sogar mein Vater singt neben mir mit. Andere Leute steigen auf Sitze, es wird wild gestikuliert und animiert. Das Schalker Klatschvieh fotografiert lieber, weil dagegenhalten ohnehin nicht möglich ist. Spätestens da, auf dem Sitz stehend, klatschend und Fäuste ballend, ist der Plan von der Aufgabe schon wieder verworfen. Ich weiß nicht, ob ich der bekloppten Kurve dafür danken, oder ob ich sie verfluchen soll. Wenn wir in 20 Jahren den Pokal zum ersten Mal in Händen halten, werde ich ihr wohl danken. Gestoppt wird die Ekstase erst vom DFB-Sound, der offensichtlich hoch gedreht wurde, um den Gesang zu übertönen. Schade, bei den 120dzb, die da aus den Boxen kamen, konnte man nicht mehr im Takt bleiben. Ansonsten hätten wir dem Pack auch noch die Übergabe zersungen. Aber diese Viertelstunde bleibt in Erinnerung. Mein einziger Trost an diesem Abend und der Grund, dass ich mit erhobenem Haupt aus dem Stadion gehen konnte. Wer bei einem 5:0 im Pokalfinale nicht singen kann, hat einen eigenen Gesang verdient: Es sollte nicht mehr heißen "Ihr seid leiser als der RWO", sondern "Ihr seid leiser als der S04"!
Und danach? Schalker kamen gleichzeitig mit uns in ihren Hotels an, statt gebührend zu feiern. Lange Gesichter, äußerlich Grabesstimmung. Was war da los? Haben die wirklich das Selbstverständnis, einen Pokal nicht mehr feiern zu können? Die sollten es besser tun, denn was Größeres als ein Pokal kommt bei denen auch nicht rum! Am nächsten Tag auf der Autobahn das gleiche Bild. Mir wären die vier Stunden Stau und der verpasste Mannschaftsempfang herzlich egal gewesen, ich hätte den kompletten Stau über mit Fahne aus dem Fenster gehangen. Aber auch da: Nichts los bei den "Gelsenkirchenern" (die eindeutig in der Unterzahl waren - viel Bochumer, Essener, Herner... Pack).
Nach so einem Wochenende weiß man zumindest fußballerisch, wo man hingehört und warum: Wer sich nicht mehr über einen DFB-Pokal freuen kann, weil seine Ansprüche so hoch wie unrealistisch sind, kann kein gutes Fandasein führen. Wir haben einiges erreicht, wir haben uns gut präsentiert, ich bin stolz, ein Zebra zu sein, und irgendwann werden wir diesen Pokal gewinnen und die Nacht zum Tag machen!
Und jetzt noch ein bisschen Senf zum Dazugeben...
Das Schlimmste...
Wärst du mal am Freitag da gewesen. Schon früh wurden panisch Bierkästen von A nach B geschleppt, um halb eins dann das Gerücht: "Pils ist leer." Zur Theke gegangen, ein Pils bestellt: "Ist keins mehr da, habt ihr alles weggesoffen." Oh, wir sind also schuld? Sorry, dass Fußballfans Bier trinken und keinen Wodka für 80 Euro! "Nur noch Schöfferhofer Grapefruit oder Corona." Na denn, Alternative: "Okay, bekomme ich dann ein Corona zum Pilspreis?" - "Nein." - "Na, dann eben nicht."
Der nächste Gang führte zum DJ: "Ey, hast du von den Kassierern 'Das Schlimmste ist, wenn das Bier alle ist'?" - "Muss ich mal gucken." Na denn, Alternative: Mit einem Kollegen das Lied a capella geschmettert.
Du verpasst deinen Bus...
Gleich und gleich gesellt sich gern...
Leider sieht man schon, dass die Schlaker öfters solche "Events" haben.
Man sieht eher, dass die Schalker einen Sponsor haben, der ihrer würdig ist: Einen korrupten, stinkreichen russischen Konzern, der auf der Suche nach einem Sponsoring war, das ihn in Deutschland bekannt macht. Dazu musste man nur einen Werbeträger finden, der gewissenlos genug ist, so einen Verbrecherverein auf der Brust zu tragen. Und wer bietet sich da eher an, als ein Reichsmeister, Jagdgewehrverschenker, Liga-aufstocken-Lasser und Meineidleister..?
Das geht noch laaaauuuter!
Sorry, aber das sagt vor allem, dass zu viele Leute ihre Kameras oben haben, anstatt mit Inbrunst zu singen. Wenn jeder nur filmt und keiner singt, gibt es nichts mehr zu filmen. Mein Appell: Die Lieder mitschmettern ist nie verkehrt, denn irgendwer hört sowieso nicht auf mich

und wird das Ganze schon bei Youtube hochladen.