Als Fußball-Traditionalist finde ich es immer so ziemlich doof einen entsprechenden Verein niedergehen zu sehen. Und Spiele gegen den MSV sind mir eben lieber als Kicks gegen von gelangweilten bis geltungssüchtigen Provinzfürsten hochgezüchtete No Names. Deshalb würde ich einen Abstieg der Zebras mistig finden. Auch, weil ich als über Jahrzehnte leid- und schicksalsgeprüfter Aachener weiß, was da auf Euch zurollen könnte. ATSV hat Euch schon das eine oder andere aus der düsteren RL-Welt berichtet und Euch die eine oder andere Frage beantwortet. Ohne naseweis oder belehrend sein zu wollen, sind hier ein paar Anmerkungen über und zur Unterwelt aus meiner Sicht. Völlig ohne Häme. Völlig ohne die Lust am Untergang. Ihr müsst es ja nicht lesen.
In der RL gibt es eigentlich keine TV-Gelder mehr. Bedeutet: Man ist beinahe komplett abhängig von freundlich gesinnten Sponsoren und den Eintrittsgeldern. Wer schnellstmöglich aus dieser Schweineliga raus will, muss entweder von Beginn an über eine solide gefüllte Geldbörse verfügen oder andernfalls bereit sein, all in zu gehen. Mit all dem damit verbundenen Risiko. Oder Glück haben. Wir sind damals mit einer fetten Insolvenz im Rucksack in die RL gefallen. Also lautete die Parole für die ersten Jahre zwangsläufig: Konsolidierung. Vielleicht sieht das bei Euch ja komfortabler aus. Aber selbst als wir uns dann einen reinen Sportetat von rund 1,3 Millionen Euro erlauben konnten, hat das nicht für den Platz an der Sonne gereicht. Erst jetzt, mit einem kolportierten (und inoffiziell vielleicht sogar deutlich höheren) Etat von über zwei Millionen Euro, scheint uns der Sprung zu gelingen. Und nochmals: Wir sprechen hier ausschließlich vom Sportetat der ersten Mannschaft, ohne das Budget für Verwaltung u.ä.
Sportlich ist die RL trotz der vielen Wiedenbrücks, Lippstadts und Dürens kein Zuckerschlecken. Da kann im Grunde genommen jeder jeden schlagen. Die Plätze sind zum Teil gewöhnungsbedürftig, das Geschehen auf dem Rasen ist gerne robust, die Schiedsrichterleistungen sind nicht selten skurril. Reichlich Spielausfälle während der Herbst- und Wintermonate verzerren den Saisonverlauf. Und dann sind da noch die Zweitvertretungen, die nach Lust, Laune & Bedürfnissen Spieler aus ihrer Ersten herunterholen. Da darf man dann schon mal das Wort Wettbewerbsverzerrung in den Mund nehmen. Zumal man in diesem Umfeld am Ende des Tages Erster werden muss. Es reicht kein zweiter Platz, es gibt keine Relegation. Nein: Es heißt einer aus 18. Und wir alle wissen, dass der Fußball nicht immer den Gesetzen der Logik folgt. Da kann also viel passieren.
Was das kickende Personal betrifft: Die RL war für uns bisher so etwas wie ein Durchlauferhitzer. DIe Spieler kamen und gingen. Eine wirkliche Kaderkonstanz gab es nicht. Erfolgversprechende Jungspunde waren schnell wieder weg, Erfahrene Recken, die über ihren Zenit hinaus waren, leistungsbedingt auch. Okay, es gab im Laufe unserer Vierligakarriere die ein oder andere Ausnahme. Doch auch vor der jetzigen (hoffentlich) Aufstiegssaison gab es wieder einen massiven Umbruch. Mit dem einzigen aber entscheidenden Unterschied, dass man dieses Mal deutlich mehr Geld in die Hand genommen hat als die Jahre zuvor. Ob aus finaler Risikobereitschaft oder weil man es plötzlich wirklich dicker hat(te). Sicher ist, dass die 2021 gewählte Führungscrew von Beginn einen maximal offensiven Kurs in Sachen Mobilisierung der Wirtschaft und Fans gefahren hat. Mit maximaler Euphorie und maximalem Versprechen. So, dass man die Massen mobilisieren konnte. Zum letzten Heimspiel der Saison 22/23, als es um gar nichts mehr ging, kamen mehr als 11.000 Zuschauer. Gelockt von dem Versprechen, dass man ein Jahr später oben stehen würde. Hätte das auch nach hinten losgehen können? Ja, aber heute fragt da keiner mehr nach.
Die Konkurrenz: Alle Jahre wieder die gleichen Namen. RWO will mit aller Macht, scheitert dann aber zuverlässig am fehlenden Geld oder eben an was anderem. Fortuna Köln wäre endlich mal reif, hat jetzt schon einen starken Kader. Der WSV kämpft mit oder gegen Herrn Runge und gegen ein unerklärliches Desinteresse rund um den Zoo, gehört aber immer zu den Top-Favoriten. Rödinghausen darf man nie unterschätzen. Da wird hochsolide und immer schnappatmungsfrei gearbeitet. Dann könnte es eine Überraschungsmannschaft, wie in dieser Spielzeit lange Zeit Bochholt, geben. Und bei den zweiten Mannschaften hängt es immer davon ab, welche Ambitionen die jeweiligen Verein für ihre Jungspunde haben. Wenn einer von denen unbedingt aufsteigen muss, dann können die die entsprechenden Voraussetzungen locker schaffen. Ob mit Geld oder/und mit der Abstellung entsprechender Spieler. Will sagen: Die Luft oben ist dünn. Essen und Münster waren Ausnahmen, weil sie beide über einen merklich satteren Etat verfügen konnten als der Rest. Vor allem Essen, die damals von einem solventen Gönner-Fan mal so eben einen siebenstelligen Betrag überwiesen bekamen.
Da die Vereine seit dieser Saison kein Ausweichstadion mehr benennen können, sind Umzüge in größere Spielstätten ersteinmal nicht mehr möglich. Also hat man es nicht selten mit Auswärtskontingenten von 400 oder 500 zu tun. Es sei denn, der Gastgeber hat ein Einsehen und stellt seine Organisation um, wie in unserm Fall zum Beispiel Wegberg-Beeck, der 1.FC Köln oder der SC Paderborn. Andererseits bekommen wir für das eventuell entscheidende Aufstiegsspiel in Düren höchstwahrscheinlich offiziell nur 500 Tickets. Wohl dem, der eine Auswärtrsdauerkarte in der Tasche hat. Andererseits sind die Gastgeber in der vierten Liga mehrheitlich reichlich entspannt. Rödinghausen, Gütersloh, Lippstadt, Wiedenbrück: Da kann man überall nette Erfahrungen machen.
Die Fanszenen sind erwartungsgemaß überschaubar. Über Wuppertal, Fortuna Köln und den RWO muss man Euch nichts erzählen. Gütersloh hat eine rege Szene, die bringen für die Ligaverhältnisse eine respekatble Anzahl mit. Lippstadt hat einen kleinen aber sehr rührigen Mob. Ahlen macht sehr gerne auf mean & nasty, kann man aber gut belächeln. Der Rest ist völlig vernachlässigbar bis nicht vorhanden. So würde der Anblick auf den Auswärtsblock im Wedau-Stadion meist ein trauriger sein.
Bleiben die Verhältnisse so wie sie sind, kann man jedes Spiel der RL West per Stream live sehen. Dafür wurde von Sporttotal das Portal
https://regionalligawest.sporttotal.tv/de eingerichtet. Top-Spiele mit Kommentar und mehreren Kameras. Die Kosten liegen pro Spiel bei 5 oder 10 Euro. Je nachdem wie man das Spiel bei Sporttotal einstuft.
Bedeutet die RL die Chance, sich zu sammeln, zu konsolidieren und sich für künftige Großtaten neu aufzustellen? Die Frage kann und will ich Euch nicht beantworten. Warum Euch unnötig Illusionen rauben. Aus meiner ganz persönlichen Sicht ist die RL noch unberechenbarer und unkalkulierbarer als es der Fußball abseits der Bundesligaspitze ohnehin ist. Wir haben elf Jahre dort verbracht. Wir haben uns von zwei Insolvenzen konsolidieren können, sind dann dahingedümpelt, haben uns von nicht Fisch nicht Fleisch ernährt. Bis jetzt plötzlich der Knoten zum platzen gebracht wurde. Zwangsläufig war das jedoch beileibe nicht. Es wäre vermessen, Euch da eine Prognose vorzugeben.
Bedeutet RL das Aus? Nein. Wir haben dort überlebt. Lange überlebt. Und das mit erheblich schlechteren Startbedingungen als Ihr sie aus meiner Sicht habt. Und so dämlich wie es die in der Grotenburg waren, seid Ihr ja hoffentlich nicht.
Macht RL Spaß? Okay, die ein oder andere Auswärtstour ist wie eine nette Expedition in eine andere, vielleicht heilere, Fußballwelt. Und regelmäßig mehr als 20.000 Zuschauer, so wie bei uns zurzeit, sind auch ziemlich geil. Aber all das sind Momentaufnahmen, die all die andere triste Hoffnungsarmut nicht aufwiegen. Nein, RL macht keinen Spaß. Sorry, dass ich jetzt doch Salz in die Wunde streue.
Aber vielleicht kommt es ja gar nicht so weit, Ihr haut die Waldhofbuben aus dem Stadion und startet eine Serie. Macht was draus!