Nabend Herde,
ich habe mir mal ein paar Gedanken zur kommenden Saison in der Regionalliga gemacht und würde diese gerne mit Euch teilen.
Der diesjährige Abstieg ist die logische Konsequenz aus einer Aneinanderreihung von Fehlentscheidungen und Missmanagement auf unterschiedlichsten Ebenen.
Habe ich im ersten Moment voller Emotionen noch Tränen geweint, so stellt sich mittlerweile, ganz langsam und allmählich, ein anderes Gefühl ein.
Die Überschrift könnte lauten:
"Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende"
Worauf ich hierbei hinaus will, wird beim Lesen der folgenden Zeilen hoffentlich recht schnell deutlich.
Ich sehe neben all der Angst vor dem dauerhaften Verschwinden in der völligen Versenkung auch eine Reihe von Chancen, die mit diesem Abstieg einhergehen und da ich tendenziell immer bemüht bin mich in jeglicher Lebenslage auf die positiven Dinge zu fokussieren, möchte ich dies, so schwer es mir fällt, auch bei diesem so emotionsgeladenen Thema beibehalten. Vielleicht auch eine Form von Selbsttherapie
Ich stelle einfach mal folgende These(n) in den Raum:
Ohne diese erneut verkorkste Saison, hätte es kaum bis keinerlei Veränderungen in der verkrusteten MSV-Blase voller Seilschaften gegeben.
Man hätte nach wie vor keine Notwendigkeit gesehen, einen starke Persönlichkeit mit entsprechender sportlicher Expertise in den Verein zu holen. (Preetz)
Man hätte den Bedarf an einer neuen strategischen Ausrichtung des Vereins nicht erkannt, da aufgrund der Rahmenbedingungen seit dem Lizenzentzug eine gewisse "Zufriedenheit" als Dauergast in der dritten Liga eingekehrt ist.
Es würde nach wie vor von Peter Mohnhaupt im Bereich Marketing für Stillstand gesorgt werden, statt endlich neue Wege mit frischem Personal zu gehen (Koke). Klug wäre immernoch Co-Trainer und Chef-Analyst.
Man hätte mit großer Mehrheit dem bisherigen Vorstand weiterhin Jahr für Jahr fast blindlinks sein Vertrauen ausgesprochen, weil es dem Verein ja finanziell so schlecht geht und man froh sein kann, dass wir uns Jahr für Jahr überhaupt noch im Profifußball halten.
Reagieren statt Agieren, wäre nach wie vor das Mantra, nach welchem im Verein auf den entscheidenden Positionen gehandelt werden würde. Es hätte keinen Mut zum Risiko gegeben, stattdessen wäre der Verein weiter "totverwaltet" worden.
Will heißen: All die positiven Veränderungen im Verein, die in jüngster Vergangenheit in die Wege geleitet wurden, wären ohne die schlechteste Saison aller Zeiten, wohl niemals auf den Weg gebracht worden.
Vielleicht hätten wir mit ein wenig mehr Glück und Gottes Hilfe dieses Jahr erneut, wie in den Jahren zuvor, eine durchwachsene Saison spielen und trotzdem die Klasse halten können.
Aber hätte sich dadurch perspektivisch irgendetwas verändert? Hätte man endlich angefangen korrekt zu analysieren und die richtigen Stellschrauben im Verein zu drehen? Hätte man bald am Tor der 2. Liga angeklopft? Mir fehlt der Glaube daran!
Wahrscheinlicher ist, dass es ein "weiter so" gegeben hätte. So wie es in den Jahren zuvor auch immer nur bei Lippenbekenntnissen zur "knallharten Aufarbeitung und Analyse der Vergangenheit" geblieben ist.
So hätten wir vielleicht noch einige weitere Jahre Drittligafußball an der Wedau sehen dürfen. Der Absturz in die Regionalliga wäre aber bei unveränderter Personalbesetzung und gleicher Arbeitsphilosophie nur aufgeschoben, aber wohl nicht aufgehoben gewesen.
Jetzt sind wir also - nachdem wir mehrfach auf den letzten Metern noch der Kopf aus der Schlinge ziehen konnten - in der Regionalliga angekommen und haben (mindestens mal für ein Jahr) die Bühne des Profifußballs verlassen.
Das hat den Verein, seine Fans, Gönner und Sponsoren aber eben auch ein Stück weit aus der Lethargie geholt und dem ganzen Bumms hier neues Leben eingehaucht!
Es wird jetzt darauf ankommen, die bereits angesprochene Bewegung im Verein positiv zu kanalisieren und den Verein für die Zukunft auf ein neues Fundament zu stellen.
Viele Dinge, die auf den ersten Blick nun erst einmal schwerer erscheinen, müssen dies auf den zweiten Blick aber nicht unbedingt sein.
1.
Thema Finanzen
Nach meinen Informationen sind die TV-Einnahmen für das Flaggschiff der Regionalliga West zwar geringer, aber nicht wesentlich geringer, als die in der dritten Liga (ca. 1.3 Millionen).
Das hängt damit zusammen, dass die TV-Gelder in der dritten Liga unter den Teams gleichmäßig verteilt werden. In der Regionalliga profitieren die Teams mehr, die am häufigsten live ausgestrahlt werden (ÖR, Sporttotal etc.).
Das Stadion, so war es zumindest mehrfach in der Presse zu lesen, soll uns in der RL wohl mietfrei zur Verfügung gestellt werden.
Auch die Reisekosten werden sich aufgrund deutlich kürzerer Anfahrten zu den Auswärtsspielen ebenso reduzieren, wie die Gehaltskosten für das Spielerpersonal.
Im ersten Jahr gehe ich zudem von keinem allzu großen Zuschauerschwund aus, zumindest dann nicht, wenn man von Anfang mit einer begeisternden Truppe vorne mitspielt. Die Einnahmen durch Ticketverkauf können bei positivem Saisonverlauf also durchaus konstant bleiben. Auswärtsfans werden wir natürlich in deutlich geringerer Anzahl anne Wedau begrüßen dürfen, das ist klar.
2.
Spielerverpflichtungen
Man liest ja immer wieder, dass man als Regionalligist nun deutlich unattraktiver ist und somit schwerer an potentielle Verstärkungen kommt.
Das gilt natürlich für gealterte Ex-Bundesligaspieler, oder talentierte junge Drittligaspieler. Wieso sollten solche Leute zu uns in die Regionalliga wechseln?
Jetzt kommt das große aber: Wir stehen durch unseren Abstieg nun nicht mehr in Konkurrenz zu den unmittelbaren Reviernachbarn und NRW-Clubs.
Wir prügeln uns in dieser Transferperiode nicht mehr mit Bielefeld, Münster, Essen, Viktoria Köln und Dortmund II. Mit den Fortunasen, dem VFL Bochum, Schlacke und den Majas schon länger nicht mehr.
Unsere Konkurrenz in der anstehenden Transferperiode heißt Wuppertal, Oberhausen und Fortuna Köln. Unsere Zielgruppe an Spielern hat sich durch den Abstieg aber eben auch verändert.
Gestandene Drittligaspieler werden wir kaum ansprechen, weil es wenig bis gar keine Gründe gibt, warum diese Jungs bei uns kommende Saison anheuern sollten.
Wenn man nun also vornehmlich mit interessanten RL-Spielern oder Jungspunden, die in den großen Nachwuchsleistungszentren durch den Rost gefallen sind, spricht, dann muss man diese Jungs "nur" davon überzeugen zu uns zu wechseln und nicht nach Wuppertal oder Oberhausen. Mit der Fanwucht, dem Stadion und dem Trainingsgelände und auch der Finanzkraft (gemessen an RL-Verhältnissen) werden wir aber ziemlich gute Argumente auf unserer Seite haben, um die für die Regionalliga begehrtesten Spieler auch tatsächlich zu bekommen. Will heißen: Es wird für uns in der kommenden Saison einfacher eine Top-Truppe zusammenzustellen, als es in der dritten Liga der Fall gewesen ist.
3.
Fannachwuchs
In Gesprächen mit anderen besorgten MSV-Anhängern höre ich immer wieder, dass uns durch den Abstieg Generationen an nachwachsenden Fans fehlen werden.
Nüchtern betrachtet ist das natürlich ein reales Szenario. Doch auch hier würde ich mir als Verein zunutze machen, dass wir nun von allen umliegenden Clubs eher bemitleidet, als aufrichtig gehasst werden.
Wenn ich im Marketing beim MSV etwas zu sagen hätte, würde ich mir genau das zu eigen machen und mir als Zielgruppe all die (leider viel zu vielen) Duisburger Familien suchen, die bereits einen anderen "Erstverein" gewählt haben.
Lasst sie doch Samstags nach Dortmund Schlacke oder Düsseldorf fahren. Wenn sie Sonntags Eintrittskarten anne Wedau kaufen und mit MSV-Schal den Zebratwist schmettern, kann uns das doch nur recht sein. Auch wir müssen alle mal die glorreichen Zeiten beiseite schieben und neue Wege gehen, denn unsere Tradition wird uns wohl kaum einfach so zurück in den Profifußball bringen.
Diese Beispiele sollen einfach nur zeigen, dass ein solcher Abstieg eben neben all den bekannten Risiken auch Chancen birgt.
Ich möchte auch einfach nach Jahren voller Negativität nun endlich wieder positiv in Bezug auf den MSV denken!
Ich hoffe inständig, dass der Verein es in den nächsten Wochen durch Verkündungen von Personalentscheidungen schaffen wird, so etwas wie Vorfreude auf die kommende Saison im Fanlager auszulösen.
Verpflichten wir einen Trainer mit einem klaren Plan und einer klaren Spielphilosophie, schaffen wir es einen starken Kader zusammenstellen, der diesem Trainer und dieser Philosophie folgt und schaffen wir die Grundvoraussetzungen für erfolgreichen Profifußball in Duisburg (Scoutingstruktur, Geschäftsstelle, erweitertes Marketing für Sponsorenzuwachs, gewinnbringendere Gestaltung der Arbeitspapiere von Spielern etc.), dann kann dieser Abstieg in der Nachbetrachtung sogar eine heilende Wirkung für unseren geliebten Verein gehabt haben.
Selten waren Weichenstellungen für die Zukunft des MSV wichtiger, als in den nächsten 6-8 Wochen. Dabei wünsche ich allen daran Beteiligten ein maximal glückliches Händchen.
Und on top wünsche ich mir vom Umfeld (Fans, Gönner, Sponsoren), dass es als zuversichtliche Einheit und nicht als gespaltene Trauergemeinschaft auftritt.
Und dann heißt es am Ende der folgenden Saison hoffentlich: "Duisburg wieder aufersteht!" - Dann aber strukturell gesundet und mit einer Wucht, die uns perspektivisch wieder in ganz andere Regionen des Profifußballs zurückbringt.