Es gibt so Tage im Leben, die bleiben komplett gebraucht zurück. Heute war so einer. Da kommt alles zusammen.
Es fing bereits mit der Harmlosigkeit des Wetterberichts an, der nach gefühlt 17 Wochen Trockenheit ausgerechnet heute Dauerregen und einen Temperatursturz voraussagte. Irgendwie stellte sich trotz Finales und Derby das ganz große Kribbeln nicht ein, weil ich nicht zu Hause gegen RWE verlieren wollte.
Dann aber die überragende Choreo und das erste laute Warmsingen. Und plötzlich war das Kribbeln da. Nur um einige Minuten später abrupt aus dieser Hochstimmung herausgerissen zu werden. Habe das von meinem Stehplatz in Block J auch erst nicht richtig mitbekommen. Wurde dann aber von aufmerksamen Freunden mit einem Blick in den Oberrang entsprechend hingewiesen, als ich lautstark MSV Sprechchöre anstimmen wollte.
Und das war echt ein bedrückender Anblick. Jede Menge Sanis, Feuerwehr, Polizei und Fans, die große Sichtschutzfolien in den Händen hielten, über einen sehr langen Zeitraum. Hektisches Treiben und ernste Mienen bei allen Beteiligten. Da konnte man schon ahnen, dass es was Heftiges sein muss und der Fan es möglicherweise nicht schafft. Beim Abtransport hat dann ein Sani die Fans während des Applauses noch mal aufgefordert, richtig Alarm zu machen. Wahrscheinlich, um dem kollabierten Fan irgendwie Mut zu machen und letze Kräfte zur Stabilisierung zu wecken.
Da ich in den letzten Jahren einige mir sehr nahestehende Menschen auf teils sehr tragische Weise verloren habe, war auch ich den Tränen nahe. Vollstes Verständnis, hier den Support komplett einzustellen. Irgendwie war der Tag durch und das Spiel unwichtig.
Aber in Hälfte 2 merkte ich eine unglaubliche Zerrissenheit. Auf der einen Seite die getrübte Stimmung wegen des medizinischen Notfallls, auf der anderen Seite noch das Finalspiel gegen absolut unsympathische Essener.
Ja, die aktive RWE Szene hat während der Reanimation auch kurzzeitig den Support eingestellt. Aber wenn ich mir angucke, wie Fans, Spieler und vor allem deren Trainer provozierend gejubelt haben, obwohl fünf Minuten vorher die Durchsage kam, dass aufgrund des medizinischen Notfalls auf eine Siegerehrung verzichtet werde, kann ich das nicht komplett ausblenden. Das hat mich am Ende richtig wütend gemacht.
Ich hätte bei Toren für uns sicherlich gejubelt, aber wahrscheinlich nur mit angezogener Handbremse.
Ich denke, diese Zerrissenheit zwischen Anstand, Betroffenheit und Hoffen auf den Ausgleich hatten viele, was sich ja auch hier an der Diskussion zeigt. Es war so surreal. Wie in einem schlechten Traum.
Da spielen wir so eine grandiose Saison mit so vielen tollen emotionalen Momenten. Und der heutige Tag mit den heutigen Geschehnissen wirkt wie ein übler Albtraum: ein Fan kämpft während des Spiels und danach um sein Leben und das Portal beginnt sich zu zerfleischen wie in den übelsten 3. Liga Tagen. Zur Krönung hauen sich in der Fankurve einige Fans, wohl alkoholbedingt, untereinander noch auch noch die Fresse blau.
Das soll unser Saisonabschluss gewesen sein? Ein echtes Scheißgefühl auf mehreren Ebenen.
Der letzte Stand der Dinge ist wohl, dass der kollabierte Fan immer noch um sein Leben kämpft. Ich drücke alle verfügbaren Daumen, dass er durchkommt. Meine Gedanken sind bei den Angehörigen, die jetzt sicherlich emotional durch die Hölle gehen.
Und für uns und für Essen wünsche ich mir, dass in den kommenden Ligaspielen das Karmapendel wieder in die andere Richtung schlägt. Ich schrieb es ja an anderer Stelle schon: Rot Weiss Essen ist einfach nur das Energie Cottbus des Westens.
Es wäre wirklich das Schönste in der kommenden Saison, mit dem dann hoffentlich genesenen Fan auf der Tribüne zwei Saisonsiege gegen diesen Kackverein feiern zu können - mit Choreo und schepperndem Support, der bis Rüttenscheid zu hören ist.