zuletzt aktualisiert: 28.2.2007 - 16:16
Ultras, Hools, Hooltras
Fußball - Fans verlieren ihre Unschuld
VON ROBERT PETERS
(RP) Die Ultras waren einmal eine reine Fan-Bewegung gegen die zunehmende Kommerzialisierung des Fußballs. Nach Ausschreitungen in Leipzig und Dresden scheint die Bewegung ihre Unschuld verloren zu haben.
Es fängt alles mit einem (berechtigten) Protest an. Als der Fußball immer stärker zum Geschäft wird, begehren jugendliche Gruppen auf. Sie wehren sich gegen Kommerz im Stadion, gegen reine Sitzplatz-Arenen, gegen Logen, die Macht der TV-Vermarkter. Sie wollen das Spiel zurück zu den Fans bringen.
Und sie nennen sich wie ihre Vorbilder in Italien „Ultras“. Für ein paar Jahre seit den frühen 90ern stehen sie für eine neue Fußball-Romantik, für sehenswerte Aufführungen auf den Rängen, für einen wesentlichen Teil der Unterhaltung neben dem Rasenviereck. Aber sie scheinen ihre Unschuld zu verlieren.
Die 800 Krawallmacher, die Anfang Februar in Leipzig auf die Polizei losgehen, kommen zum größten Teil aus der Ultra-Szene. Jene, die in Mönchengladbach, Köln und Dortmund beim Training gegen die Darbietungen der Mannschaften protestieren, nennen sich Ultras. Und unter den Vermummten, die Dresdner Regionalligaspieler mit Schaden für Leib und Leben bedrohen, sind ebenfalls Ultras.
Rund 20 Prozent derjenigen, die als Jugendliche in der Fußball-Subkultur der Ultras beginnen, werden nach Schätzungen der in Düsseldorf ansässigen Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze im Laufe ihrer Fankarriere zu Hooligans. Der Hannoveraner Fanforscher Gunter Pilz, stilbildend in allen Fußball-Krawallfragen, nennt sie deshalb „Hooltras“.
Bislang kann er damit vor allem Entwicklungen im Osten des Landes umschreiben. Im Unterschied zu den klassischen Ultra-Gruppen, die von Gewalt eher wenig halten und sich selbst politisch links einordnen, orientieren sich die ostdeutschen Ultras nach Erkenntnissen von Pilz „stärker an der polnischen Szene“.
Die wiederum findet, dass Gewalt unbedingt zur Auseinandersetzung mit gegnerischen Anhängern gehört. Darüber hinaus hat der Autor Veit Pätzug in seiner Dresdner Fanstudie „Schwarzer Hals - gelbe Zähne“ festgestellt, dass „viele, vor allem die Jüngeren nach rechts abdriften“.
Einer der schlimmsten radikalen Prügeltrupps der sächsischen Landeshauptstadt, der „Assi Pöbel Dynamo Dresden“, gehörte lange zu den Ultras, ehe er sich wegen politischer Differenzen mit der Kerngruppe abspaltete und im vergangenen Jahr von der Polizei zerschlagen wurde.
Die Grenzen zwischen Hooligans und Ultras verwischen dennoch immer mehr. Damit werden die Ultras ihren italienischen Ahnherren ähnlicher, als sie vielleicht selbst glauben. Denn auch dort gehören Schlägereien und Waffen zu den Kennzeichen der „Fankultur“ - unabhängig von der politischen Ausrichtung der Gruppe.
Polizei als Erfüllungshilfe
Die Lebensbedingungen, mangelnde soziale Perspektiven und das Gefühl von Minderwertigkeit können nach Meinung der meisten Forscher die Gewaltbereitschaft erhöhen. Gunter Pilz aber wehrt sich dagegen, „das Klischeebild des perspektivlosen ostdeutschen Jugendlichen“ zu bemühen. Er hat festgestellt, dass die meisten Ultras aus gutbürgerlichem Haus stammen. Ihre Gewaltbereitschaft speist sich wie die der Hooligans aus einer merkwürdigen Abenteuerlust. Und sie erhält durch die Erfahrung, vom großen Wirtschaftszweig Fußball an den Rand gedrängt zu werden, neue Nahrung.
Für die Ultras ist die Polizei nur eine Erfüllungsgehilfin des Establishments, das sie bekämpfen. „Die gesamte Ultraszene“, sagt Pilz deshalb, „hat die Polizei als ausgesprochenes Feindbild.“ Auch darin sind Ultras den Hooligans vergleichbar. Und in Fragen der Gewalttätigkeit holen sie auf. „Wir sind nicht gerade Unschuldslämmer“, schreiben die Dynamo-Ultras in Dresden auf ihrer Webseite. Nett ausgedrückt.
http://www.rp-online.de/public/article/aktuelles/sport/fussball/412400